Der Diskos von Phaistos

Seit hundert Jahren gibt eine Tonscheibe mit geheimnisvollen Zeichen den Forschern Rätsel auf. Bis heute konnten sie nicht klären, ob der Fund ein spektakuläres Einzelstück oder eine meisterhafte Fälschung ist.

Als Luigi Pernier, Ausgräber des Palastes von König Minos im kretischen Phaistos, am Abend des 3. Juli 1908 eine seltsame, flache Tonscheibe in die Hand nahm, ahnte er nicht, dass dieses Objekt noch ein Jahrhundert später die Forscher vor Rätsel stellen würde. Den folgenden Generationen von Gelehrten gelang es bis heute nicht, die Zeichen oder auch nur die Sprache zu bestimmen, in der das mysteriöse Fundstück beschriftet ist. An Deutungsversuchen mangelte es nicht: so zahlreich, so unterschiedlich und teilweise mit so vehementer Überzeugung vertreten, dass der britische Altertumswissenschaftler John Chadwick, Mit-Entzifferer von Linear B, verzweifelt anmerkte: „Selbst wenn König Minos höchstpersönlich jemandem im Traum die wahre Bedeutung offenbaren würde, wäre es für denjenigen unmöglich, andere davon zu überzeugen, dass dies die richtige Lösung sei.“ Weiterlesen

Faun und Fackellauf

In ihrem Bemühen, für die Olympischen Spiele 1936 eine direkte Parallele vom antiken Griechenland zum nationalsozialistischen Deutschland zu ziehen, griffen Regisseurin Leni Riefenstahl und der deutsche NOK-Generalsekretä r Carl Diem tief in die Trickkiste – und weit daneben

Ein Fest der Superlative sollte es werden. Für das junge Nazideutschland bot die Austragung der Olympischen Spiele im Jahr 1936 eine einmalige Gelegenheit, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren: der Welt zu zeigen, wie modern – und doch unverändert tief verwurzelt in antiken Traditionen – das Reich aus dem großen Krieg hervorgegangen war. Das Propagandaministerium musste nicht lange suchen, um für dieses Ereignis den passenden Chronisten zu finden. Nur zwei Jahre zuvor hatte die Regisseurin Leni Riefenstahl mit „Triumph des Willens“ einen Dokumentarfilm über den NSDAP-Parteitag in Nürnberg vorgelegt, der völlig neue Wege der Filmkunst beschritt. Weiterlesen

Survival in der Steinzeit

Für ein Abenteuer muss man gar nicht in die Ferne schweifen: Auf der Schwäbischen Alb lässt sich mühelos eine Strecke von 40 000 Jahren zurücklegen.

Die Zeitmaschine ist ein kleiner gelber Kastenwagen. Er steht am Bahnhof des Dorfes Schelklingen – bereit, mich auf die weiteste Reise meines Lebens mitzunehmen. Nicht auf dem Landweg und auch nicht über das Meer, sondern hinein in eine ganz andere Dimension: tief in die Vergangenheit. Weiterlesen

Des Kaisers neue Kirche

Vor 1200 Jahren ließ Karl der Große in Aachen seinen Dom errichten. Das Bauwerk entsprach dem Auftraggeber: Es setzte neue Maßstäbe für Europa.

Luzifer war fuchsteufelswütend. Die Aachener Bürger hatten ihn, den Satan persönlich, betrogen. Um Geld hatten sie ihn angewinselt, damit sie ihr protziges Gotteshaus fertig bauen könnten. In maßloser Selbstüberschätzung hatten sie sich verrechnet. Das überdimensionierte Projekt zu Ehren des Herrn schien bereits zum Scheitern verurteilt. Da witterte der Teufel seine Chance. Weiterlesen

Anatomie einer Grenze

Am 9. November 1989 tanzten die Menschen auf der Berliner Mauer. Heute, nur 14 Jahre später, ist sie bereits ein Fall für die Archäologie.

Im Juni beginnt die Fetthenne zu blühen. Dann windet sich einmal rund um Westberlin ein lockerer gelber Zopf wie eine Blumenkrone. Der Streifen bildet mit der Architektur der Stadt ein dichtes Geflecht, ist oft unterbrochen von Straßen, Plätzen, Häusern. Doch immer wieder lugt der Blütenkranz hervor zwischen wuchernden Beton- und Stahlbauten. Das Band aus hell blühender Fetthenne ist eine Erinnerung. Ist das florale Negativ einer längst vergangenen Mauer. Der Mauer. Denn das genügsame Dickblattgewächs ist eine der wenigen Pflanzen, die resistent ist gegen die Herbizide, mit denen 28 Jahre lang der Todesstreifen getränkt wurde. Damit dort kein Grashalm wächst, kein Laub zu Boden fällt, nichts die Fußspuren eines Flüchtlings tarnen könne. Damit kein Strauch und kein Baum ihm Deckung sei. Weiterlesen