Kugellager für den Hinkelsteintransport

Das schottische Aberdeenshire ist unter Archäologen für zwei Dinge bekannt: für Funde von etwa tennisballgroßen Steinkugeln und für seine megalithischen Steinkreise. Nun hat der Archäologe Andrew Young von der University of Exeter herausgefunden, dass die kleinen Steinkugeln und die prähistorischen Steinkreise zusammenhängen könnten. Die Baumeister der Monumente, meint Young, benutzten die Bälle, um darauf die großen Brocken zu transportieren. Der Forscher kam darauf, weil fast alle der über 400 bekannten Steinkugeln gleich groß sind – ihr Durchmesser beträgt ziemlich genau 70 Millimeter. Anhand eines kleineren Holzmodells konnte er zeigen, dass die Methode einwandfrei funktioniert: „Ich legte 100 Kilogramm Beton auf die Kugeln und schaffte es, das Gewicht mühelos mit einem Finger zu bewegen”, berichtet der Forscher. Die Megalithen der schottischen Steinkreise bringen allerdings bis zu 70 Tonnen auf die Waage. Also konstruierte Young ein größeres Modell – stabil genug, um zumindest das Gewicht eines kleineren Hinkelsteins zu tragen. Mit acht Leuten konnte sein Team auch diese Riesenlast mühelos auf den kleinen Kugeln transportieren. Auch im südenglischen Stonehenge, so vermutet der Experte für experimentelle Archäologie, könnten die Steinzeitspediteure ihre Sarsensteine auf solchen Kugellagern bewegt haben.

Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 48/2010.

Erbe der Feuersbrunst

Mitunter verhilft ein Unglück Forschern zu unverhofften Funden. So wütete vor 2500 Jahren eine Feuersbrunst zwischen den Hütten einer kleinen Siedlung in der Nähe des heutigen Peterborough in der englischen Grafschaft Cambridgeshire. Die Behausungen standen damals auf dicken Eichenpfosten über dem Fluß Nene. Als das Feuer ausbrach, wirkte der Luftraum unter den Häusern wie ein Windkanal und sorgte für extreme Hitze. Schnell brachen die tragenden Balken, und die angekohlten Häuser fielen direkt in den Fluß. Das Wasser löschte das Feuer sofort – und konservierte die Hütten mitsamt Inhalt. Nun haben britische Archäologen die bronzezeitliche Siedlung entdeckt. Auf der Flucht vor den Flammen ließen die Bewohner allerlei zurück: Waffen, Stoffe, sogar Töpfe voller Essen. „Die Textilfunde sind einzigartig”, schwärmt Ausgräber Tim Malin: „Wir haben noch nie zuvor Stoffe aus dieser Zeit gefunden.” Die 50 Töpfe mit Nahrungsmitteln sollen demnächst im Labor analysiert werden.

Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 47/2010.

Forscher in der Tiertoilette

Das ist kein Job, den man unbedingt haben will: Die Forscher Brian Chase, Andy Carr und Arnoud Boom sammeln in Südafrika jahrhundertealte Urin-Reste von Tieren. Sie wollen damit etwas über den Klimawandel herausfinden. Das ist einerseits eklig, andererseits aber auch genial: In Südafrika leben Klippschliefer, die sehen aus wie große Meerschweinchen, sie sind aber tatsächlich entfernte Verwandte von Elefanten. Die Tiere haben eine sehr nützliche Angewohnheit: Klippschliefer-Familien pinkeln über Jahrtausende hinweg immer wieder in die selbe Toilette, zum Beispiel unter einen Felsüberhang. Der Urin trocknet und bildet um die kleinen Kotkugeln herum harte Ablagerungen, die bis zu 40 Zentimeter dick sind. Die Forscher müssen nun die Klippschliefer-Klos anbohren und Proben entnehmen. Weil auch bei Klippschliefern immer nur hinten rauskommt, was vorher vorn reingegangen ist, können die Wissenschaftler aus dem Kot erkennen, welche Pflanzen wann in der Gegend gewachsen sind. Und daraus schließen sie, welches Klima herrschte.

Erschienen in Dein Spiegel 12/2010.

Massenmord in Oxford

Auf dem Gelände des St. John’s College in Oxford sind Archäologen auf die Spuren eines jahrhundertelaten Gewaltverbrechens gestoßen. Im Erdboden lagen die Knochen von mindestens 34 großen, kräftigen Männern. Laboruntersuchungen zeigen nun, wie diese zu Tode kamen: 20 der Skelette haben Stichkanäle in den Rückenwirbeln oder dem Beckenknochen, 27 der Schädel sind zerstrümmert. Verletzungen der Rippen der Toten lassen darauf schließen, dass fast die Hälfte von ihnen von hinten angegriffen wurde. Bei 5 von ihnen hatte jemand versucht, den Kopf abzuschlagen – was bei einem weiteren tatsächlich gelang. Zusätzlich erlitten einige der Opfer Verbrennungen. Doch wer waren die Toten? Eine Laboranalyse der Knochen hat ergeben, dass sie – anders als die heimischen Angelsachsen – zu Lebzeiten reichlich Fisch gegessen hatten. Zudem waren sie ungewöhnlich groß. Alles spricht somit dafür, dass es sich bei den Dahingemeuchelten um Wikinger handelte. Der Fund passt zu einem Ereignis, von dem die angelsächsischen Chroniken berichten. Am 13. November 1002 verordnete König Ethelred die Ermordung aller dänischen Wikinger in seinem Reich. Er selbst beschrieb, was an jenem Tag beim St. Brice’s Day-Massaker in Oxford geschah: Die Dänen suchten Zuflucht in einer Holzkirche, doch seine Männer setzten kurzerhand das Gebäude in Brand. Anschließend karrte man die Leichen vor das Nordtor der Stadt und kippte sie in einen Graben. 1555 wurde das St. John’s College gegründet und über dem in Vergessenheit geratenen Massengrab erbaut.

Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 46/2010.

Frischluft

Erschienen in Geo, November 2010
Die „Magna Carta” soll in einem sichereren Edelgas gelagert werden als bisher
Nach dem Tod seines Bruders Richard Löwenherz im Jahr 1199 begann Johann Ohneland als dessen Thronfolger, fri über die Schicksale seiner Untertanen zu bestimmen – bis hin zu der Entscheidung, wen sie heiraten durften. Die Johann endlich von aufständischen Adligen abgetrotzte Unterzeichnung der Magna Carta bedeutete auch für einfache Bürger eine Verbesserung ihrer Lebensumstände.
Weiterlesen