Wie das Kleben in der Steinzeit erfunden wurde

Eine der bis heute grössten Erfindungen der Menschheit war es, Stein und Holz zu verbinden. Eine Axt funktioniert viel besser, wenn die Steinlinge an einem Holzgriff befestigt sind. Ein Pfeil ist tödlicher, wenn seine Spitze aus einem Stein mit messerscharfen Kanten besteht. Doch um die beiden unterschiedlichen Materialien zu kombinieren, brauchte es vor allem eins: Klebstoff. Die Masse musste zum Auftragen verformbar sein, dann aber aushärten. Und sie musste widerstandsfähig genug sein, um auch wiederholte Schläge oder konstantes Rütteln auszuhalten. In der Mittelsteinzeit in Südafrika verwendete der frühe Homo sapiens ein Destillat aus den Blättern der heimischen Steineibe, Koniferen der Gattung Podocarpus, um seine Steinwerkzeuge und -waffen an Holzschäften zu befestigen. Die Steineibe war kein offensichtlicher Kandidat für die Gewinnung von klebrigem Teer. Dass die frühen modernen Menschen sich trotzdem für ausgerechnet diese Pflanze entschieden, zeugt von den innovativen Fähigkeiten und dem grossen Geschick, das sie bereits vor rund 100000 Jahren an den Tag legten. Den frühen Tüftlern auf die Spur kamen Patrick Schmidt und Tabea J. Koch von der Universität Tübingen in einer Studie mit Edmund February von der Universität Kapstadt in Südafrika. Ihnen war aufgefallen, dass bei den bekannten südafrikanischen Funden von Werkzeugen mit Klebstoffresten die Handwerker sich offenbar für einen Kleber aus Steineibe entschieden hatten. «Es gab eine Vielzahl von Werkzeugen in der Mittelsteinzeit», betont Schmidt. «Klebereste wurden an Projektilspitzen gefunden, aber auch an Kratzern, die zum Schaben von Tierhaut oder zum Bearbeiten von Holz genutzt werden konnten.» Interessant an den unterschiedlichen Beispielen ist auch, dass die Fundorte weit voneinander entfernt liegen: Zwischen einem Felsüberhang an der Westküste und Höhlen im Osten liegen 1800 Kilometer. Folglich handelt es sich nicht um eine einmalige Zufallserfindung, sondern um eine bewährte Technik.

Erschienen in der NZZ am Sonntag vom 22. Januar 2023.
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Opium fürs Jenseits

Gil heisst auf Sumerisch «Glück». Doch die Vokabel hat noch eine weitere Bedeutung: Opium. Schon vor 5000 Jahren beschrieben die Sumerer auf Keilschrifttafeln, wie Schlafmohn anzubauen sei, um Gil daraus zu machen. Die Samenkapseln ritzte man mit einem Löffelchen an, heisst es darin. Die beste Zeit zur Ernte sei dann der frühe Morgen, um den ausgetretenen und in Tonschüsseln aufgefangenen Saft zu ernten. Bisher fehlte aber noch der archäologische Nachweis, dass dieses Wissen nicht nur ­theoretisch war, sondern auch in die Praxis umgesetzt wurde. Dies ist Archäologinnen und Archäologen der israelischen Antikenbehörde und des Weizmann Institute of Science nun bei Tel Jehud nahe Tel Aviv gelungen. In dem Grab eines etwa 40 bis 50 Jahre alten Mannes aus dem 14. Jahrhundert vor Christus – der späten Bronzezeit – entdeckten sie die Droge in acht Keramikgefässen. Dafür hatten die Forscherinnen und Forscher Proben von den Gefässwänden genommen und sie massenspektrometrisch untersucht. Die Proben enthielten sogenannte Opioid-Alkaloide wie Opiansäure und Morphine. Damit ist der Fund aus Tel Jehud, das zum Gebiet des antiken Kanaan gehörte, nicht nur der bisher älteste eindeutige Nachweis der Nutzung von Opium weltweit – sondern auch für den Gebrauch von halluzinogenen Drogen überhaupt. Der Fund fügt sich damit gut in das Bild, das bereits über indirekte Funde und Schriftquellen vom Drogenkonsum in der Späten Bronzezeit bekannt war. Der griechische Dichter Homer lässt seine Helden in der «Ilias» und der «Odyssee» Opium nicht allein als Rausch-, sondern ebenso selbstverständlich auch als Schmerz- oder Schlafmittel nehmen.

Erschienen in der NZZ am Sonntag vom 18. Dezember 2022.
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Das älteste Bauwerk der USA

Vor rund 4400 Jahren begannen Menschen mit dem Bau von Stonehenge. Die Pyramiden von Gizeh entstanden vor etwa 4600 Jahren. Das älteste Bauwerk Nordamerikas aber ist mehr als doppelt so alt. Und unscheinbar: zwei etwa fünfeinhalb Meter hohe, mit grünem Gras überwachsene Hügel auf dem Campus der Louisiana State University (LSU) in Baton Rouge. Sie sind eingeklemmt zwischen einem Parkplatz und einem Studentenwohnheim, das schon einmal bessere Tage gesehen hat. Vor 11 000 Jahren begannen Menschen, diese Hügel aufzuschichten – und dreieinhalb Jahrtausende brauchte es, bis sie damit fertig waren. Brooks Ellwood, inzwischen emeritierter Professor des Instituts für Geologie und Geophysik der Universität, hat sie untersucht: «Ich unterrichtete einen Kurs in Geophysik und brauchte einen Ort in Campusnähe, an dem wir die Techniken ausprobieren konnten», erzählt er. Die beiden Hügel schienen ihm perfekt dafür. Deren genaues Alter war nicht bekannt, nur dass sie einst Ureinwohner errichtet hatten. Zu den Übungen gehörte auch, Bohrkerne aus den beiden Campushügeln zu ziehen – sowie aus weiteren Hügeln in der Umgebung. Denn die Erdhaufen der LSU sind nicht allein. Die ersten Menschen, die vor rund 12 000 Jahren in der Gegend des heutigen Louisiana eintrafen, bauten jede Menge davon. Es waren Jäger und Sammler, die vor etwa 22 000 Jahren ihre Migration von der damals noch bestehenden Beringbrücke zwischen Asien und Amerika Richtung Süden begonnen hatten. Noch war es kalt in Nordamerika, die Gletscher der letzten Eiszeit zogen sich gerade erst zurück. Die Neuankömmlinge lebten in Familienverbänden und zogen der Nahrung hinterher: Mammuts, Hirsch-Elchen und Riesenfaultieren. Trotz ihrer Mobilität setzten sie Zeichen in die Landschaft: «Es stehen über 800 Hügel in Louisiana, und unser Nachbarstaat Mississippi hat sogar noch mehr», sagt Ellwood. Ob es immer wieder die gleichen Familien waren, die zu ihren Hügeln zurückkehrten, oder ob es Bauwerke waren, zu denen jede vorbeiziehende Gruppe einen Beitrag ­leistete, lässt sich nicht sagen. Die Bohrkerne erzählten aber zumindest, was die Erbauer als Baumaterial verwendet hatten: Lehm, Erde und Asche. Besonders interessant ist dabei die Asche. Sie enthält organisches Material, das sich datieren lässt.

Erschienen in der NZZ am Sonntag vom 23. Oktober 2022.
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Das Geheimnis der durstigen Ponys

Nicolas Delsol interessiert sich eigentlich nur für Kühe. Der Archäologe, der am Florida Museum of Natural History arbeitet, verfolgt akribisch ihre Wege auf den amerikanischen Kontinenten. Da Rinder ursprünglich weder in Nord- noch in Südamerika heimisch waren, setzten sie erstmals im späten 15. Jahrhundert gemeinsam mit den spanischen Entdeckern und Eroberern ihre Hufe auf amerikanischen Boden. Die Rinderzähne aus dem spanischen Piratennest Puerto Real im Norden der Insel Haiti, das seine Blütezeit im 16. Jahrhundert hatte, schienen ihm folglich ein Schatzfund für seine Studien. Als er sich aber die DNA aus den Zähnen genauer ansah, stach einer heraus. Das Fragment eines Backenzahns, das er da in der Hand hielt, war gar kein Kuh-Kauwerkzeug – sondern stammte von einem Pferd. Und da Pferdeskelette in den archäologischen Hinterlassenschaften deutlich seltener sind als Kuhknochen, legte er die Rinder erst einmal beiseite und beschloss, zunächst der Herkunft dieses Pferdes nachzugehen. Für Archäologen entspricht der Fund eines Pferdezahns in den frühen amerikanischen Siedlungen einem Sechser im Lotto. Denn während Rinder Nutztiere waren, die in grossen Mengen zur Produktion von Fleisch und vor allem Leder gehalten wurden, galten Pferde als Statussymbol. Entsprechend füllen die Knochen von Rindern riesige Abfallgruben, doch Skelette von Pferden sind rar. Im Grunde nahm Delsol aber nur einen kleinen Umweg: «Von Anfang an verbreiteten sich die Rinder in Amerika sehr schnell, weil sie hier auf einen Lebensraum trafen, der ihnen gut bekam. Pferde aber waren essenziell für das Management grosser Rinderherden. Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass sie nur kurze Zeit nach den Rindern in Amerika ankamen und mit ihnen über den Kontinent wanderten», sagt er.

Erschienen in der NZZ am Sonntag vom 02. Oktober 2022.
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Ein kräftiger Sog Bier

Bier durch einen Strohhalm geschlürft, das macht schneller betrunken: Diese Vorstellung hält sich vor allem unter Jugendlichen hartnäckig. Laut den Erkenntnissen der Wissenschaft ist das bloss ein Mythos. Was die meisten Partygänger wohl aber nicht ahnen, ist, dass sie mit diesem Trinkritual immerhin einer uralten Tradition folgen. Schon vor ungefähr 5600 Jahren, so vermutet Wiktor Trifonow von der russischen Akademie der Wissenschaften in einem ­Aufsatz in der Fachzeitschrift «Antiquity», bekam ein Angehöriger der Oberschicht der frühbronzezeitlichen Maikop-Kultur im nordwestlichen Kaukasus ein Set aus acht extralangen Trinkhalmen mit in den Grabhügel gelegt. Zu Lebzeiten, zeige jetzt eine neue Analyse, tranken er und seine Gäste damit fermentierten Gerstensaft.

Erschienen in der NZZ am Sonntag vom 24. April 2022.
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Auf Ponys in die Schlacht

Das mittelalterliche Schlachtross, auf dem in Kinofilmen und TV-Serien der Held durch das Kampfgeschehen reitet, ist furchteinflössend gross und kräftig. Selber behängt mit schützenden Metallplatten, trägt es den Reiter inklusive Rüstung scheinbar mühelos über das Schlachtfeld und begräbt nebenbei Fusssoldaten unter seinen mächtigen Hufen. Mit den Pferden, die tatsächlich von Römern, Angelsachsen oder Normannen in Schlachten geritten wurden, haben diese muskelbepackten Kampfmaschinen allerdings wenig gemeinsam. Die echten Schlachtrosse waren deutlich kleiner als ihre Genossen auf der Leinwand – bis weit ins Hochmittelalter zogen Krieger, zumindest in Britannien, offenbar auf Ponys in den Kampf.

Erschienen in der NZZ am Sonntag vom 10. April 2022.
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Isolierte Weltbürger

Rings um den Friedhof von Xiaohe im Westen Chinas erstreckt sich die flache Wüste des ehemaligen Salzsees Lop Nur bis zum Horizont. Schon von weitem sieht man die langen Holzstangen in den Himmel ragen. Jede von ihnen markiert ein Grab. Über 30 haben Archäologen bisher gezählt, die ältesten sind rund 4000 Jahre alt. Der Erhaltungszustand der Gräber ist einzigartig, ausgetrocknet vom Wüstenklima und dem hohen Salzgehalt des Bodens haben nicht nur die mumifizierten Toten die Jahrtausende so gut wie unbeschadet überdauert, sondern auch ihre farbenfrohen Textilien. Besonders sind in Xiaohe auch die Särge: Die Toten liegen in Booten, die mit Rinderhaut …

Erschienen in der NZZ am Sonntag vom 02. Januar 2022.
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Bargeld zum Selbermachen

In der Bronzezeit entwickelten europäische Händler ein neues Bezahlsystem. Aus kaputten, ausgedienten Waffen und Schmuckstücken entstanden handliche Geldeinheiten.

Erschienen in der NZZ am Sonntag vom 01. August 2021. Leider ist dieser Beitrag nicht online.