Gelehrter hinter Gittern

Es gibt Orte, an denen man keine begnadeten Hieroglyphen-Experten vermutet. Dennoch steht als Adresse unter einem Kommentar in der März/April-Ausgabe im Fachblatt „Biblical Archaeology Review” das Gefängnis im kalifornischen Tehachapi. Dort sitzt der Gefangene No. J81861, Timothy Fenstermacher, ein. Der heute 40-Jährige landete vor 16 Jahren nach einer Meeserstecherei im Knast. Dort begann er, die ägyptische Hieroglyphen-Schrift zu erlernen. Die Pappen seiner Milchkartons dienten ihm als Karteikarten. Er beschrieb sie mit Hieroglyphen und lernte diese dann bei den Workouts im Gym auswendig. Mittlerweile korrespondiert er mit Ägyptologen auf der ganzen Welt. Bücher und Aufsätze schicken ihm Freunde; er selbst hat weder Geld noch einen Internetzugang. Was er nach seiner Entlassung in einem Jahr machen will? Vielleicht einen Truck fahren, sagt er – oder ein Buch über ägyptische Grabmalerei schreiben.

Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 13/2012.

Building a Monastery the Medieval Way

Historians, architects, archaeologists and volunteers in Germany are teaming up to build a medieval monastery the old-fashioned way. Working conditions will be strictly 9th-century, without machines, rain jackets or even coffee. It will take decades, but they hope to garner fresh insights into everyday life in the 800s.

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Kurzes Glück der Freiheit

Auf der Insel St. Helena im Südatlantik haben englische Archäologen einen Sklavenfriedhof ausgegraben. Das Eiland beherbergte im 19. Jahrhundert nicht nur den französischen Diktator Napoeleon für die letzten Jahre seines Lebens, sondern war auch Auffanglager der britischen Royal Navy für befreite Sklaven. Viele der Geretteten waren aber offenbar so krank und entkräftet, dass sie die Freiheit nicht lange überlebten. Zwischen 1840 und 1872 transportierte die Royal Navy rund 26000 befreite Sklaven nach St. Helena – von denen vermutlich über 5000 auf der Insel umkamen. In England selbst war der Sklavenhandel seit 1807 verboten. Trotzdem wurden weiterhin Gefangene von Afrika in die Karibik auf die dortigen Zuckerrohr- und Baumwollplantagen verschleppt. Insgesamt konnten die Briten rund 1600 Sklavenschiffe aufbringen und 150000 Afrikaner aus den Ketten befreien. Der Friedhof wurde bei Vorarbeiten zum Bau eines neuen Flughafens auf St. Helena entdeckt.

Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 12/2012.

Griechen in Not

Auch für Ausgrabungen fehlt in Griechenland derzeit das Geld. Griechische Archäologen sind deshalb dazu übergegangen, neue Funde lieber nicht auszugraben, als sie an der Oberfläche verfallen zu lassen. „Mutter Erde ist die beste Beschützerin für unsere Altertümer”, erklärte Michalis Tiverios von der Aristoteles-Universität Thessaloniki am Rande eines Kongresses in Athen. Auf sein Betreiben bleiben etwa Reste einer frühchristlichen Kirche in Thessaloniki unangetastet, die vor zwei Jahren entdeckt worden sind. „Lasst unsere Altertümer in der Erde, damit Archäologen sie 10000 nach Christus finden können – wenn die Griechen und ihre Politiker mehr Respekt für ihre Geschichte gelernt haben”, fordert Tiverios. Ein weiteres Problem sind die Plünderer: Auch für Sicherheitspersonal, das die Altertümer bewacht, ist kaum Geld da. Unlängst machten sich Raubgräber über den antiken Friedhof von Pella her, der einstigen Hauptstadt des Makedonenreiches unter Alexander dem Großen. Auf dem Areal wurden verstorbene Herrscher oft mit reichen Goldbeigaben bestattet. „Im Jahr 2011 konnten wir dort nicht arbeiten”, beklagt sich Grabungsleiter Pavlos Chrysostomou. „Wir fanden aber zehn neue Gruben vor, die nicht wir geschaufelt hatten.”

Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 11/2012.

Apps gegen das Sprachsterben

Von den rund 7000 Sprachen, die auf der Welt gesprochen werden, wird vermutlich die Hälfte bis zum Ende des Jahrhunderts verschwunden sein. Um möglichst viele doch noch zu retten, setzen Linguisten auch auf Smartphones und das Internet. Unter anderem gibt es jetzt eine App für Anishinaabemowin – eine nordamerikanische Indianersprache, die rund um die Großen Seen verbreitet war. Zusammen mit Kollegen hat die Linguistin Margaret Noori (die noch von ihren Eltern Anishinaabemowin gelernt hat) von der University of Michigan acht „Talking Dictionaries” vorgestellt: digitale Wörterbücher, mit denen man sowohl Vokabeln als auch die korrekte Aussprache einer aussterbenden Sprache lernen kann. So lassen sich bereits Anwendungen für Tuwinisch, eine Sprache aus der Mongolei und Sibirien, sowie für das indische Ho finden. Ihrer Tochter erklärte Noori: „Du kriegst nur dann ein iPhone, wenn du mir SMS mit unserer App schreibst.”

Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 10/2012.

Fesch und Chips

Erschienen in Geo, März 2012
Zahlte man in Bordellen Englands mit Spielgeld? Eine Münze aus römischer Zeit legt dies nahe
Der kleine Chip sieht aus wie ein Geldstück. Doch was jüngst mit einem Metalldetektor aus dem Uferschlamm der Themse gefischt wurde, konnte man gewiss nicht in einem Gemüseladen gegen Blumenkohl eintauschen. Denn die Vorderseite trägt nicht das Konterfei eines Kaisers oder einer Gottheit – sondern zeigt einen Mann und eine Frau beim Sex: Die Frau liegt auf dem Bauch, der Mann kniet über ihr. Auf der Rückseite steht die römische Zahl XIIII.

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