Die römischen Kaiser taten es. Napoleon tat es. Die britischen Könige und Königinnen taten es ebenso wie die amerikanischen Präsidenten. Und Saddam Hussein tut es auch – perfekt sogar. Bauen. Errichten, schaffen, vorzeigen, protzen. Prunkvolle Bauwerke errichten, wo das Volk hungert. Macht demonstrieren mit der Sprache der Architektur. Saddam Hussein ist ein Meister dieser Disziplin der Herrscherkunde. Weiterlesen
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Strategie auf Schienen
„Die anatolische Bahn wird ja augenblicklich von der deutschen Presse, die ja sonst so wenig hat, in den Himmel gehoben. Aber als Geschäft? Du lieber Himmel! Da bleibt sie immer eine Nebensache wie der Club der Harmlosen. (…) Diese Bahn selbst ist nur ein toter Strang, und die Begeisterung seiner Majestät für Mesopotamien ist ohne tieferen Wert für die deutschen Interessen“, schrieb am 26. November 1899 Georg von Siemens, Vorstandssprecher der Deutschen Bank, an seinen Schwiegersohn. Als er diesen Brief schrieb, konnte er allerdings nocht nicht ahnen, was 1902 links und rechts der Schienen entdeckt werden würde. Die Bagdadbahn fuhr quasi über einen unterirdischen See aus Erdöl. Zehn Jahre nach dieser Entdeckung erhielt die Deutsche Bank vom türkischen Sultan eine Konzession auf alle Öl- und Mineralvorkommen entlang eines 20 km breiten Streifens zu beiden Seiten der Bahnlinie bis Mosul. Von dort sollte das mesopotamische Öl nach Deutschland gebracht werden, somit die mögliche britische Seeblockade umgangen werden und für Deutschland eine unabhängige Erdölversorgung auf dem Landweg entstehen. Es galt, um seinen Teil des Kuchens bei der Neuaufteilung der Welt zu kämpfen. „Was die heutige Türkei betrifft, so haben wir uns schleunigst zu sichern, was andere Völker uns sonst vor der Nase wegschnappen könnten und was in einigen Jahren hohe Preise haben dürfte. Nachdem das deutsche Volk auf Marokko verzichtet hat, sollte es sich mit allen Kräften der asiatischen Türkei zuwenden, um bei deren demnächstiger unausbleiblicher Aufteilung nicht noch einmal leer auszugehen“, beschrieb 1913 Ewald Banse in seinem Werk „Auf den Spuren der Bagdadbahn“ die Kolonialgelüste der Deutschen. Weiterlesen
Massenhochzeit aus Staatsräson
Aristoteles war stets dagegen gewesen. Verständnislos hatte er den Kopf geschüttelt, wenn die Augen seines Schülers Alexander aufleuchteten, sobald er über die Perser sprach. Ausgerechnet diese Barbaren, die einst die Akropolis, in Schutt und Asche gelegt hatten, übten auf Alexander eine magische Wirkung aus. Doch das, so predigte Aristoteles, dürfe noch lange kein Grund sein, sie den Griechen gleichzustellen. Zu anders, zu fremdartig seien sie, eine gänzlich verschiedene Art von Menschen. Alexander aber wollte nicht hören. Weiterlesen
Botschaften aus dem Reich der Götter
Wer den Göttern nahe sein wollte, musste schwindelfrei und nachtaktiv sein. Tief unter dem Aussichtspunkt schlief die Stadt Babylon unter der Decke ihrer Dächer, müde wälzte sich der Euphrat durch die dunkle Ebene. Doch wandte man den Blick nach oben, konnte man durch die klare, trockene Nachtluft die Sterne sehen – Künder des Willens der Hauptgötter Marduk und Ishtar, des flinken Nebo und des kampflustigen Nergalin. Die Sterne, so glaubten die Babylonier, erzählten als helle Punkte auf dem Schwarz des Himmels aus dem Reich der Unsterblichen. Der Beobachtungsturm hoch über Babylon gehörte zum Tempel Esagilla, in dem die bekannteste Schule der Astronomie des Zweistromlandes untergebracht war. 91 Meter war er hoch. Das Klima der babylonischen Ebene begünstigte die nächtlichen Himmelsbeobachtungen. Zwei Drittel des Jahres ist der Himmel über Babylon heiter und klar, verdecken keine Wolken den Blick auf die Sterne. Weiterlesen
Der Tod des Meisterspions
Der Hund blinzelte mit den Augen und nahm Witterung auf. Unter den vertrauten Duft der Schafherde, die friedlich nahe der syrisch-libanesischen Grenze schlief, mischte sich ein anderer aufwühlender Geruch. Er schlug an, um seinen Herren zu wecken. Gerade noch sah der Hirte vier Männer mit einer Kiste Richtung Grenze verschwinden. Den alarmierten Grenzern konnten die vermeintlichen Schmuggler zwar entkommen, doch ihre Kiste mussten sie zurücklassen – darin lag ein verwesender Leichnahm. Gerichtsmediziner stellten am Hals des Toten Spuren fest, die nur das ruckartige Zusammenziehen einer Metallschlinge verursacht haben konnten. Beim Hängen. Es waren die sterblichen Überreste von Eli Cohen. Weiterlesen
Pogrom im Schtetl
Zuerst Ekel, dann Mitleid, empfand der Dichter Heinrich Heine, als er „den Zustand dieser Menschen näher betrachtete und die schweinestallartigen Löcher sah, worin sie wohnten, mauschelten, beteten, schacherten und – elend waren…“ Doch so elend es dort auch sein mochte, das Schtetl – die jüdische Siedlung oder das jüdische Viertel einer Kleinstadt – war für die Juden eine heile Welt. Hier gab es eine Synagoge, einen jüdischen Friedhof und eine mikwe, das rituelle Badehaus. Alles im Schtetl war jüdisch, die Kleidung, die Sprache, die Sitten. Da die russischen Gesetze im ausgehenden 19. Jahrhundert den Juden nur sehr begrenzt das Arbeiten erlaubten, streiften viele von ihnen Tag für Tag durch die armseligen Gassen, um hier und da Beschäftigung zu finden – ein wenig zu handeln, ein bißchen zu tauschen, vielleicht einen Botengang zu erledigen oder gar eine Heirat zu vermitteln. „Luftmenschen“ nannte man diese armen Kreaturen, weil sie von der Luft zu leben schienen. Dass das Leben auch anders aussehen könnte als im verarmten Schtetl war vielen von ihnen nicht bewusst. Die wenigsten Juden verließen zu Lebzeiten je ihr Viertel oder bekamen gar eine ferne Großstadt wie Moskau oder Kiew zu sehen. Sie führten ihr Leben – und blieben unter sich. Weiterlesen
Erleuchtung aus der Höhle
„Zu verkaufen: biblische Handschriften, die bis mindestens 200 v. Chr. zurück datieren. Hervorragend geeignet als Schenkung einer Privatperson oder einer Gruppe an ein wissenschaftliches oder religiöses Institut. Chiffre F 206.“
Diese Anzeige auf Seite 14 des Wall Street Journal vom 1. Juni 1954, zwischen Annoncen für Stahlbehälter oder elektrische Schweißapparate und den Wohnungsangeboten, vermochte kaum Interesse bei den Lesern zu erregen. Und doch ist dieses Angebot in etwa so spektakulär, als fände man auf einem Flohmarkt die Totenmaske des Tut-Anch-Amun zwischen Spitzenblusen und einer gesprungenen Suppenschüssel mit Blümchenmuster. Denn die unter Chiffre F 206 zum Verkauf stehenden Schriften sind Bibel-Urtexte, geschrieben zu einer Zeit, als es das Neue Testament, wie wir es heute kennen, noch gar nicht gab. Geschichten, die als nicht geeignet für die Heilige Schrift befunden wurden und so in Vergessenheit gerieten. Weiterlesen
Zu schwach für die Frauen
8 Tote, 17 Tote, 2 Tote… Die Zahlen der getöteten Israelis bei palästinensischen Selbstmordattentaten nehmen sich bescheiden aus im Vergleich mit dem Anschlag, den ein Israeli um das Jahr 1200 v. Chr. auf eine Versammlung von Palästinensern verübte. Über 3000 feiernde Zivilisten riß Samson mit sich in den Tod, als er damals den Tempel des Dagon zum Einsturz brachte. Weiterlesen
Beutel-Kunst
Die Kokos-Mais Suppe ist nahezu perfekt. Cremig-sämig, von einer Konsistenz, die sich am Gaumen anfühlt, als ob man sein Lieblingssweatshirt über den Kopf zieht. Markus und Daniel haben sie gekocht. Zwei Tage lang haben sie in der Küche gestanden und einen kleinen Suppenvorrat angelegt. Dieser wird bei Bedarf in der Lounge des kleinen Geschäfts in Davos hungrigen, neugierigen oder einfach nur durch Zufall in den Laden gestolperten Menschen serviert. Eigentlich geht es in dem Laden nicht um Suppen. Und weder Markus noch Daniel sind Koch. Weiterlesen
Imperium USAnum
Da fährt er auf zu den Wolken, sicher geleitet von zwei Jungfrauen, die Freiheit und Sieg personifizieren, geht ein in die Gemeinschaft der Unsterblichen — wie einst die römischen Kaiser. Doch der Mann auf dem Gemälde ist kein göttlicher Imperator, sondern ein demokratisch gewählter, durch und durch irdischer Staatschef: George Washington, erster Präsident der Vereingten Staaten von Amerika. Das Fresko schmückt die Kuppel des Capitols in Washington. Die Architektur des Gebäudes ist dem Pantheon nachempfunden, in dem die alten Römer ihre Götter verehrten. Benannt wurde es nach einem der sieben Hügel der Ewigen Stadt, und zwar jenem, auf dem der antike Senat seinen Sitz hatte. Die Gründungsväter Amerikas nahmen fleißig Anleihen bei römischen Vorbildern, um den Anspruch ihres Volkes auf Macht, Ruhm und Ehre darzustellen. Die junge Nation sollte ein neues Rom werden. Weiterlesen