Knochenmüll aus der Ärzteschule

Dass Archäologen Knochen finden, gehört zu ihrem Geschäft. Dass sie aber vor einer Grube voller abgesägter Körperteile stehen, kommt nicht alle Tage vor. Was bei den Bauarbeiten für den neuen Campus der University of Worcester ans Tageslicht kam, waren allerdings nicht Hinweise auf finstere Verbrechen, sondern Überbleibsel einer Sternstunde der Medizin: „Dies ist ein Zeugnis aus den Kindertagen der Chirurgie”, erklärt Stadtarchäologe Simon Sworn. Denn wo bald die Studenten in neue Wohnheime ziehen sollen, stand bislang die Worcester Royal Infirmary, das alte Krankenhaus der Stadt. Und hier, knapp 50 Kilometer südwestlich von Birmingham, wurde im Jahr 1832 die British Medical Association gegründet. Im gleichen Jahr trat der Anatomy Act in Kraft, der es britischen Ärzten erlaubte, Tote ohne Angehörige für die Forschung zu verwenden. Zuvor mussten sich die Forscher mit den Leichen Krimineller als Lehrmaterial begnügen – zu wenige für eine sinnvolle Forschung. „Wir haben von der Syphilis angegriffene Knochen gefunden, die für eine nähere Untersuchung aufgesägt waren”, berichtet Sworn. Aber auch Knochen von Schweinen, Pferden und Rindern lagen zwischen den menschlichen Gebeinen. „An einigen davon haben wir gleich mehrere Sägeansätze gefunden – als ob Studenten hier eifrig Amputationen geübt hätten.”

Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 23/2009.