Kastriert im Kaisergrab

Den meisten Terrakotta-Pferden im Grab des ersten Kaisers von China fehlen die Hoden. Diese erstaunliche Entdeckung machte der Archäologe Yuan Jing von der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften bei der systematischen Untersuchung der über 600 Pferde aus der Grabanlage des Qin Shihuangdi (259 bis 210 vor Christus) bei Xi’an. Alle 520 männlichen Pferde, die in Vierergruppen Streiwagen zogen, waren kastriert. Lediglich einige der Kavalleriepferde befanden sich noch im Vollbesitz ihrer Männlichkeit – die meisten waren jedoch Wallache. Stuten fehlten dagegen völlig. Vielleicht, so mutmaßt Yuan, sollten die Zugpferde durch diese Art der Darstellung als besonders gut abgerichtet erscheinen. Dass Nutztiere in China schon früh kastriert wurden, ist seit längerem bekannt: Berichte auf 3000 Jahre alten Muscheln und Knochen gaben Hinweise auf die Kastration von Schweinen. Jetzt hoffen die Archäologen, auch an den sterblichen Überresten von mehreren echten Pferden, die unlängst in der Nähe der Grabanlagen gefunden wurden, die jahrtausendealte Entmannungspraxis nachweisen zu können.

Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 11/2010.

Lauern in der Mauer

Erschienen in Geo, September 2009
Schädlinge Chinesische Restauratoren haben Mühe, die Mauer der alten Kaiserstadt Xi’an gegen winzige Feinde zu verteidigen: Milben
Betroffen ist vor allem die Anlage um das acht Meter hohe und mehr als 26 Meter breite Hanguang-Tor, einem von ehemals 18 der antiken Metropole. Von dieser Pforte nahm während der Tang-Dynastie (618 – 907) die Seidenstraße ihren Anfang. Die unterste Schicht des Bauwerks geht bereits auf die Sui-Dynastie (581 – 618) zurück.
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Der Tod des Alten Drachen

Verfall und Dekadenz am Kaiserhof

Mit vierzehn Jahren hat Hong Xiuquan nur ein Ziel. Er will raus aus seiner kleinen Welt. Als das vierte von fünf Kindern einer armen Bauernfamilie aus Guanlubu hat er schon bei seiner Geburt im Jahr 1814 keine Zukunft. Zumal seine Eltern Hakka sind, eine ethnische Minorität aus dem Norden. Die Hakka-Frauen binden sich die Füße nicht ein wie andere Frauen, deshalb werden sie von den Han-Chinesen verachtet. Und Bauern stehen auf der niedersten Stufe in der chinesischen Sozialordnung, obwohl die Bauern in den konfuzianischen Schriften als die produktive Basis der Gesellschaft gepriesen werden. Ein Hakka und gleichzeitig Bauer zu sein heißt in der Realität, zum Abschaum des Abschaums zu gehören. Weiterlesen

Auf der Jagd nach der Unsterblichkeit

Frühe Kaiser und ihre letzten Ruhestätten

Wie so viele Geschichten beginnt auch diese mit einer Frau. In Handan, Hauptstadt des nördlich von Qin gelegenen Reiches Zhao, lebt der wohlhabende Kaufmann Lü Buwei mit seiner Konkubine. Mit Perlen, Jade und anderen Luxuswaren hat Lü Buwei ein Handelsimperium aufgebaut. Die Konkubine ist der Schmuck seines Hauses. So schön ist sie, dass im Jahr 260 v. Chr. Zhuangxiang, Sohn des Herrschers von Qin, Gefallen an ihr findet. Lü Buwei wittert ein Geschäft. Er überlässt die Frau dem jungen Prinzen. Es ist das beste Geschäft seines Lebens. Denn im darauffolgenden Jahr gebiert sie – nach einer zwölfmonatigen Schwangerschaft, wie die Historiker später berechnen werden – Zhuangxiang einen Sohn, Zhao Zheng. Und Lü Buwei wird zum engen Vertrauten des Königssprosses. Weiterlesen

Piratennester und Schmugglerhöhlen

Seefahrt und Handel an Chinas Küsten

Wer einen Arowana im Haus hat, ist ein gemachter Mann. Nach der chinesischen Lehre des Feng Shui mehrt der „goldene Drachenfisch“ den Reichtum seines Besitzers – zuweilen ins Unermessliche. Darum sind Arowanas beliebte Haustiere in Asiens Chefetagen. Bis zu 50 000 US-Dollar kann ein Exemplar des Süßwasserfisches leicht kosten; vor allem, wenn seine roten Schuppen mit einen goldenen Schimmer belegt sind. Hat der Fisch dann erst einmal im Aquarium eines Geschäftsmannes seine Fähigkeit unter Beweis gestellt, steigt sein Wert. Für die Arowanas erfolgreicher Wirtschaftsbosse sollen schon Millionenbeträge geboten worden sein. Doch kaum ein Chinese würde seinen Arowana verkaufen. Es ist üblich, den Fisch – nachdem er gute Dienste geleistet hat – auszusetzen. Ihm seine Freiheit zurückzugeben. Weiterlesen

Tore wie Tempeltüren

Die große Mauer als Grenze zwischen Ming und Mongolen

Colonel Robert McCormick sammelt Steine. Alle seine Korrespondenten wissen Bescheid: Wenn sie von einer Auslandsrecherche zurück in die Redaktion der Chicago Tribune kommen, freut sich der Herausgeber über einen Stein fast so sehr wie über eine gelungene Reportage. Die Brocken lässt er dann in die Fassade des „Tribune Tower“ einbauen – jenes imposanten Wolkenkratzers an der North Michigan Avenue Nr. 435, den McCormick in den Jahren zwischen 1922 und 1925 für sein Zeitungsimperium hat bauen lassen. Bis heute wird dieser Brauch fortgeführt, inzwischen ist die McCormick-Sammlung auf 141 Steine angewachsen. Ein Marmorbrocken vom Parthenon in Athen prangt dort, ein Stück ägyptische Pyramide, ein Stein aus dem indischen Taj Mahal, ein Betonklumpen aus der Mauer, der einst West- von Ostberlin trennte. Sogar ein Souvenir vom Mond stellt die NASA als Leihgabe für den Tribune Tower zur Verfügung. Und natürlich darf ein Stein nicht fehlen in dieser Sammlung am Tribune Tower: ein Stück der Großen Chinesischen Mauer. Weiterlesen