Die Azteken liebten es scharf: Sie würzten ihren Kakao mit Chilischoten. Das Volk kam allerdings kaum in den Genuß des Zaubertranks – er war dem Adel vorbehalten.
Auch wenn die Legende Mole Poblano de Guajolote auf den christlichen Gott zurückführt, so ist der Ursprung des Rezeptes in der aztekischen Küche zu suchen. Vor allem die Kombination von Chilis mit Schokolade verrät seine Herkunft: Sie war in der Tat bei den Azteken ein Genuss, der hauptsächlich Herrschern und Kriegern vorbehalten war. So ist vielmehr wahrscheinlich, dass Schwester Andrea weniger einer göttlichen Eingebung, sondern dem Vorschlag einer aztekischen Küchenhilfe folgte, die den Nonnen verriet, was man bei ihrem Volk hohem Besuch zu servieren pflegte.
Denn Kakaobohnen dienten den Azteken als Zahlungsmittel. Als im Jahr 1519 der spanische Eroberer Hernan Cortéz in die Neue Welt kam, servierte ihm der aztekische Herrscher Montezuma ein Getränk namens xocolatl, das aus zermahlenen Kakaobohnen – also flüssigem Geld – zubereitet wurde. Und es blieb nicht nur bei einer Tasse, Cortéz bekam von Montezuma gar eine ganze Kakaoplantage zum Geschenk. Doch der Eroberer interessierte sich nicht im Geringsten für die braunen Bohnen. Lieber tauschte er sie gegen das ein, weswegen er in die Neue Welt gekommen war: Gold.
Montezuma aber wusste, was gut war. Der Chronist Bernal Díaz berichtet in seinem Buch Historia Verdadera de la Conquista de la Nueva España, dass der Aztekenherrscher den Trank zu sich zu nehmen pflegte, bevor er zu seinen Frauen ging. „Der große Montezuma“, schreibt Díaz, „trinkt seinen Kakao gewürzt mit Vanille, Honig und einer guten Portion roten Chilis.“
Die Herstellung war ein aufwendiger Prozess. Der spanische Mönch Fray Bernandino de Sahagún beschreibt ihn 1569 in seiner Historia General de las Cosas en Nueva España: „Sie mahlt den Kakao (die Bohnen); sie zerstampft, bricht und zerkleinert sie zu Pulver. Sie sortiert sie aus, verliest und trennt sie. Sie durchtränkt sie, durchfeuchtet sie, weicht sie ein. Sie fügt sparsam, zurückhaltend Wasser hinzu; sie reichert es mit Kohlensäure an, filtert es, siebt es, schüttet es hin und her, bringt es zum Sprudeln; sie lässt es eine Krone bilden, stellt Schaum her; sie entfernt die Krone, lässt es dickflüssig werden und trocknen, gießt Wasser dazu, rührt Wasser hinein.“ Zum Schluss war es besonders wichtig, dass der Kakao von einer dicken Schaumkrone bedeckt war. Sie wurde durch das wiederholte Umgießen von einem Gefäß aus großer Höhe in ein anderes hergestellt. Im Gegensatz zum heutigen Kakao wurde das Aztekentrank nicht mit Milch, sondern mit Wasser zubereitet. Kühe waren zur Zeit des Montezuma noch unbekannt auf dem amerikanischen Kontinent. Die Cremigkeit bekam das Getränk durch die Zugabe von Maismehl.
Der früheste archäologische Nachweis einer Kombination von Chilischoten und Kakaobohnen kommt aus El Salvador. Dort begrub bei einem Ausbruch um das Jahr 260 n. Chr. der Vulkan Ilopango das Dorf Cerén unter seiner Asche. Bei Ausgrabungen in den neunziger Jahren fanden Archäologen in den Ruinen ein Gefäß, in dessen unterer Hälfte Kakaobohnen gelagert waren, von den Chilischoten darüber nur durch eine dünne Schicht Baumwolle getrennt.
Bald entdeckte auch die Alte Welt den Zaubertrank der Azteken. Noch im 17. Jahrhundert wurden ihm überlieferten Rezepten zu Folge auch hier zu Lande noch Chilischoten zugesetzt. Die waren bereits seit Kolumbus‘ Rückkehr von seiner zweiten Reise aus der Neuen Welt 1496 in Europa bekannt. 1544, ein halbes Jahrhundert später, brachten dann Dominikanermönche unter der Leitung von Bartolomé de las Casas eine Gruppe Adliger der Kekchi Maya aus Guatemala an den Hof des Prinzen Philip von Spanien. Sie präsentierten dem Thronfolger neben Federn des Quetzcal Vogels, Tongefäßen und Chilis auch Schalen mit aufgeschäumtem Kakao. 1585 landete dann ein Schiff aus Veracruz mit einer kostbaren Ladung im Hafen von Sevilla: der ersten kommerziellen Sendung Kakaobohnen für Europa.
Erschienen in der Reihe Ars Vivendi, Abenteuer Archäologie 2/2004.