Schädel-OP in der Bronzezeit

In einem kleinen Dorf am Schwarzen Meer lebten vor über 4000 Jahren Menschen, die offenbar schon überaus geschickt am offenen Schädel operieren konnten. So haben Ausgräber der Siedlung Ikiztepe in der türkischen Provinz Samsun Skalpelle gefunden, die aus dem vulkanischen Gesteinsglas Obsidian gefertigt wurden. Daneben stießen die Forscher auf insgesamt 14 Schädel, die deutliche Operationsspuren aufwiesen. „Die Klingen sind noch heute so scharf, dass man sich daran schneiden kann”, erklärt Grabungsleiter Önder Bilgi. Das rasiermesserscharfe Operationsbesteck stammte allerdings nicht aus der Region, sondern muss von weit her importiert worden sein. Mit diesen Messern schnitten die bronzezeitlichen Chirurgen rechteckige Löcher in die Schädeldecke ihrer Patienten. Bilgi vermutet, dass die Heiler von einst sogar versuchten, Schlaganfälle und Tumoren zu behandeln. So entdeckten die Experten Blutspuren an der Innenseite einiger geöffneter Schädel. Dass tatsächlich Operationen stattfanden und nicht etwa rituelle Tötungen, zeigen Knochenheilungsspuren: Viele der Patienten lebten nach den Eingriffen noch mehrere Jahre weiter.

Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 37/2010.