Das amerikanische Jahrhundert beginnt

Zum ersten Mal in der Geschichte setzt ein amerikanischer Präsident in offizieller Mission seine Füße auf europäischen Boden. Es ist eine kleine Sensation. Woodrow Wilson ist nach Paris gekommen, um dort an den Friedensverhandlungen nach dem Ersten Weltkrieg teilzunehmen. Im Gepäck hat er einen aus 14 Punkten bestehenden Plan zur Neuordnung der internationalen Verhältnisse. Seine Vision: eine friedliche und gerechte Welt unter der moralischen Führung der USA. Mit dem entsprechenden missionarischen Eifer läßt Wilson auf der Konferenz seine Donnerstimme erschallen wie ein Wanderprediger in der Scheune. Europa hat jedoch alles andere im Sinn, als sich von Amerika missionieren zu lassen. Der französische Ministerpräsident Georges Clemenceau kommentiert das Auftreten des amerikanischen Präsidenten sarkastisch: „Mr. Wilson ödet mich mit seinen vierzehn Punkten an, selbst der Allmächtige hat nur zehn!“ Weiterlesen

Der Große Graben

Die beiden Männer stehen geschockt am Abgrund des großen Grabens und blicken hinunter auf die Erdmassen, die soeben in einer brüllenden Lawine aus rutschendem, schlitterndem Geröll die Grabungsarbeit von Monaten vernichtet haben. „Was sollen wir nun machen?“, fragt Major Gaillard mit belegter Stimme. Chefingenieur Goethals zündet sich eine Zigarette an. „Nun…“, gibt er trocken zurück, „es wieder ausgraben.“ Weiterlesen

Der Stoff für Legenden

Wurde in den alten Tagen, als der Westen noch wild war, ein Amerikaner geboren, so legten ihn seine Eltern auf einen Quilt. Und starb ein Amerikaner, so geschah dies meisst unter einem Quilt. Quilts begleiteten ihn von der ersten bis zur letzten Stunde seines Daseins. Kaum ein ander Ding ist so eng mit dem amerikanischen Leben verknüpft wie die gesteppten Patchwork-Decken. Weiterlesen

Die Sklavin des Präsidenten

Es hätte eine ergreifende Romanze sein können. Die Anfänge der Geschichte reichen bis nach Paris. In der Stadt der Liebenden ist der große, etwas ungelenke Mann Botschafter der Vereinigten Staaten. 1787 lässt er seine geliebte Tochter Patsy — seit dem Tod ihrer Mutter Martha eine Halbwaise — über den Atlantik nach Frankreich holen. In Patsys Schlepptau befindet sich die damals 14-jährige Sklavin Sally Hemings. „Black Sally“ wurde sie genannt, wenn man später hinter vorgehaltener Hand in Amerika über sie sprach. Weiterlesen

In den Händen der Hisbollah

Eigentlich wollte der Hoechst-Manager Rudolf Cordes bereits am 16. Januar nach Beirut fliegen, doch die Maschine fiel wegen eines Triebwerkschadens aus. Mit einer Mitarbeiterin am Schalter der Fluggesellschaft bespricht er die Alternativen: entweder noch am selben Abend über Damaskus nach Beirut oder am nächsten Tag direkt. Cordes wählt den Direktflug. Das wird ihm zum Verhängnis. Weiterlesen

Im Schoß der 72 Jungfrauen

Sie warten auf Dich unter dem Zündknopf der Bombe, nur einen daumenbreit entfernt. In freudiger Erwartung ihrer Künste wirst Du nicht schwanken, nicht zaudern, nicht zweifeln am den, was Du tust. Denn der Preis für den direkten Weg in den Schoß der 72 Huri, der sagenhaften Jungfrauen des Paradieses, ist der Märtyrertod. „Märtyrer“ ist das Zauberwort, der schnöde Selbstmörder landet in der Hölle. Deshalb spricht man in der Helden-Hochburg Palästina nicht gern von „Selbstmordattentätern“. Es sind „heilige Explosionen“, die der Botschaft des Islam Nachdruck verleihen sollen. Weiterlesen

Hilfe für Afghanistans Frauen

Sie wollen Schulen gründen für eine Generation von Mädchen, die bislang keine Hoffnung hatte, jemals einen Brief zu schreiben oder ein Buch lesen zu können. Für Kinder, denen das ABC fremder ist als die Exekutionen, Auspeitschungen, Plünerungen und Vergewaltigungen, die sie täglich mitansehen mußten. Und sie wollen ein Krankenhaus wiederaufbauen, das aus Geldmangel geschlossen werden mußte. Das kleine Krankenhaus in Quetta/Pakistan, in dem 400 Betten zur Verfügung stehen für die Opfer von Landminen, für Frauen und Kinder, war eines der besten der Region. Viele Leser fragen nach dem stern-Bericht über die Aktionen der sanften Rebellinen von der Widerstandsbewegung RAWA, wie der Kampf der afghanischen Frauen weitergeht. Weiterlesen

Revolution vom Band

Auch im Islam war am Anfang das Wort. Allah offenbarte es seinem Propheten Mohammed, und dieser verbreitete es in der Welt. Und das Wort war Macht. Mehr als tausenddreihundert Jahre später nutzte ein Sayed, ein direkter Nachkomme Mohammeds, erneut die Macht des Wortes — um aus dem Exil heraus der zweitausendfünfhundertjährigen Herrschaft der persischen Monarchie ein Ende zu bereiten. Ayatollah Khomeini sprach seine machtvollen Worte und schweißte sie in unspektakuläre kleine Plastikschachteln. Er stellte dem übermächtigen Heer des Schahs Reza Pahlewi eine Flut von Tonbandkassetten entgegen. Der greise Prediger setzte zur Verbreitung seines mittelalterlichen Weltbildes eine Technik ein, die damals auf dem neuesten Stand war. Weiterlesen

Die zweite Front im Golfkrieg

Im „Dharan International Hotel“ in Saudi Arabien trafen sich während des Golfkrieges die Reporter und Fotografen der internationalen Medien – gestandene Männer und Frauen, die im Leben schon in viele Gewehrmündungen geblickt und mit ihren Kameras die Gesichter etlicher Leichen festgehalten hatten. Doch in diesem Krieg bekamen sie unter der strengen Zensur des Pentagon weder Gewehrmündungen noch Leichen zu sehen. „Es war ein Ferienlager“, beschrieb CBS-Produzentin Lucy Spiegel die Stimmung vor Ort.

Der Golfkrieg wurde zu großen Teilen nicht am Golf ausgetragen. Er entstand vor allem an den Schreibtischen der Medienzentren, wo die Nachrichten, die von der Front nicht kamen, erdacht und gemacht wurden. Weiterlesen