Im Schoß der 72 Jungfrauen

Sie warten auf Dich unter dem Zündknopf der Bombe, nur einen daumenbreit entfernt. In freudiger Erwartung ihrer Künste wirst Du nicht schwanken, nicht zaudern, nicht zweifeln am den, was Du tust. Denn der Preis für den direkten Weg in den Schoß der 72 Huri, der sagenhaften Jungfrauen des Paradieses, ist der Märtyrertod. „Märtyrer“ ist das Zauberwort, der schnöde Selbstmörder landet in der Hölle. Deshalb spricht man in der Helden-Hochburg Palästina nicht gern von „Selbstmordattentätern“. Es sind „heilige Explosionen“, die der Botschaft des Islam Nachdruck verleihen sollen.
Die Hadithen, Aufzeichnungen über das Leben und die Ansichten Mohammeds, sind äußerst explizit in den Verheißungen der Freuden des Paradieses — besonders in der Beschreibung der Huri. Kein Mann und kein Dschinn hat sie je berührt, und nach der Defloration wächst auf mystische Weise ihr Jungfernhäutchen wieder zusammen. Groß und rund sind ihre jugendlichen Brüste, die rosigen Knospen strecken sich steil in Erwartung von Liebkosungen. Die Milchhaut dieser Jungfrauen ist so hell und zart, daß man durch sie hindurch das Mark der Knochen sieht wie die feinen Linien in einem Rubin, wie roter Wein in weißem Glas. Hell strahlen ihre Wangen, heller noch als Spiegel. Nie werden sie laut, nur mit sanfter Stimme sprechen sie zu ihrem Gebieter, denn sie sind stets zufrieden mit ihm, treu und ergeben. Menstruation und Migräne kennen diese reinen Schönheiten nicht, immer sind sie bereit, immer willig. Es ist ihnen die größte Freude, ihrem Mann ergeben zu sein. Oh ja, die Huri wissen um das Wesen der Liebe, und ihnen ist das Geschick gegeben, dieses Wissen auch in die Tat umzusetzen. Nicht einmal anschauen würden sie einen Anderen, der Blick aus ihren sanften Rehaugen bleibt stets scheu gesenkt. Nur herunter auf die Erde schauen sie manchmal, und dann ist die ganze Entfernung vom Himmel zum Boden erfüllt von ihrem Duft und Glanz.

Auch für das leibliche Wohl des Helden ist bestens gesorgt im Paradies. Klares Wasser, das nie schal wird, und weiße Milch, die nicht säuert, fließen dort ebenso wie der schwere Wein in nimmer versiegenden Strömen. Und da die paradiesische Glückseeligkeit nicht an Fraß und Frauen allein hängt, sondern Männerfreundschaften das einzige sind, was im Leben wie im Tod wirklich zählt — wer möchte schon trunken vom Wein die Schlachtengesänge seines Fußballclubs mit einer säuselnden Huri in Duett gröhlen — darf sich der Märtyrer am Tage der Auferstehung 70 Freunde aussuchen, die ihn ins Elysium begleiten.

Wird ein Selbstmordattentäter auf seine Mission geschickt, lautet die Abschiedsformel: „Möge Allah mit dir sein, möge er dir Erfolg geben, dass du ins Paradies gelangst.“ Daraufhin erwiedert der Märtyrer-Kandidat: „Inshallah — dort werden wir uns treffen.“ Der Weg in den Himmel ist kurz und leicht. Eine Schaar grüner Vögel wird herabschweben und die Seele des Märtyrers zu Allah geleiten. Die grünen Paradiesvögel sind ein beliebtes Motiv an den Häuserwänden im Gaza-Streifen und im Westjordanland. In vielen Wohn-, Schlaf- und Kinderzimmern hängen sie über dem Sofa, dem Fernseher, dem Bett.

Der erste Tropfen Blut, den ein Märtyrer vergießt, wäscht auf der Stelle die Sünden seines irdischen Daseins fort. Später wird sein Leichnam nicht verwesen, sondern statt dessen einen lieblichen Duft verströmen. Wer sein Leben für den Islam gibt, braucht weder Alter noch Verfall zu fürchten. Auf ewig wird er 30 bleiben, egal wie alt er zum Zeitpunkt seines Ablebens war. Auch wird er nie die Beschwerden kennen, die das Alter mit sich bringt. Denn, um sich als wahrer Herr von 72 ewig willigen Jungfrauen erweisen zu können, wird seine Potenz sich um das hundertfache steigern.

Erschienen als Teil der Serie „Mohammeds zornige Erben“, stern 50/2001