Ötzis letztes Essen

Vor rund 5300 Jahren starb Ötzi, der berühmt gewordene Mann aus der Jungsteinzeit. Vor 20 Jahren fanden Spaziergänger Ötzis Leiche, seitdem wurde die Mumie immer wieder untersucht. Jetzt haben Forscher sogar herausgefunden, was Ötzi zuletzt gegessen hatte – seinen letzten Snack verspeiste der Eismann nur etwa 30 Minuten bis zwei Stunden vor seinem Tod. Im Magen fanden sie einzelne Fleischbrocken: Ötzi hatte Steinbock gegessen. Ob er den Bock roh verschlang oder vorher grillte, konnten sie allerdings nicht sagen. Ascheteilchen in seinem Darm könnten von einem Feuer stammen, über dem der Eismann sein Steak röstete. Allerdings fanden die Forscher zwischen den Essensresten auch Tierhaare und Fliegenreste – besonders sorgfältig hatte er seine Mahlzeit also nicht zubereitet. Es hat lange gedauert, bis die Mumienexperten den Magen überhaupt finden konnten. Denn der war nach dem Tod des Eismanns dorthin verrutscht, wo sonst die Lungen liegen.

Erschienen in Dein Spiegel 08/2011.

Pyramide mit Airbags

Elf große Airbags halten neuerdings die Pyramide des Djoser im ägyptischen Sakkara aufrecht. Das Grabmal des Königs der 3. Dynastie (2720 bis 2700 vor Christus) wurde beim Erdbeben im Jahr 1992 so stark beschädigt, dass es dringend repariert werden muss. Durch das Beben hatte sich die 60 Meter hohe Struktur verschoben. Mit den Airbag-Säulen gelang es den Ingenieuren der walisischen Firma Cintec nun, das Bauwerk zu stabilisieren. Die Spezial-Airbags waren ursprünglich konstruiert worden, um Sprengsätze in Afghanistan sicher zu entschärfen. Im nächsten Schritt planen die Ingenieure, spezielle Stahlstäbe durch die Pyramidenwände zu schieben. Die Stahlstäbe werden normalerweise dazu verwendet, um gefährdete Gebäude gegen Druckwellen von Bombenexplosionen zu verstärken. In einem letzten Restaurationsschritt sollen herausgefallene Steine wieder an ihren Platz gesetzt und mit Mörtel, wie er vor 4700 Jahren benutzt wurde, festgemauert werden.

Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 25/2011.

Skelette unter der Bahnhofshalle

Wenn demnächst Reisende in der neuen Halle der Londoner Liverpool Street Station ihre Fahrkarten lösen, dürften sie kaum ahnen, dass sie auf einer riesigen Grabstätte stehen. Während der Bauarbeiten stießen die hinzugezogenen Archäologen schon bei ersten Testgrabungen auf fast hundert Skelette. Offenbar verbirgt sich dort der verschollene Friedhof des Bethlem Hospital, der ältesten psychiatrischen Klinik der Welt. Bis ins 19. Jahrhundert vergruben erst die Mönche, die das Klosterhospital betrieben, und später auch Anwohner an diesem Ort ihre Toten. Dabei gingen sie wenig pietätvoll zu Werk: Bis zu sechs Skelette wurden pro Kubikmeter beigesetzt. Gegründet im Jahr 1247, begann das Priorat St. Mary Bethlehem ab 1377 mit der Behandlung von psychisch Kranken. Die Therapie bestand darin, die Insassen an die Wand zu ketten und, wenn sie aufbegehrten, mit der Peitsche zu disziplinieren. Gegen ein Eintrittsgeld von einem Penny konnten Schaulustige sie sogar besichtigen. Erst ab 1770 wurden die psychisch Kranken als Patienten angesehen.

Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 18/2011.

Segeln nach Sonnenstein

Erschienen in Geo, April 2011
Schon die Wikinger kannten womöglich einen Kompass – wenn auch keinen magnetischen
Manchmal dauert es auch heute noch lange, bis wissenschaftliche Untersuchungen die gebührende Beachtung finden.

Ein neuer Sammelband zum Thema „polarisiertes Licht” der Zeitschrift „Philosophical Transactions” enthält einen älteren Beitrag des Ungarn Gábor Horváth. Er vermutet seit Jahren, dass nicht nur Tiere polarisiertes Licht zur Navigation nutzen können, sondern auch Menschen.

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Jäger der Rüsseltiere

Gut verborgen war der vielleicht ältste Menschenschädel des amerikanischen Kontinents. Taucher der Höhlenforscherorganisation PET („Projecto Espeleológico de Tulum”) entdeckten ihn nach einer über 1200 Meter langen unterirdischen Reise durch die Kalksteinhöhlen der mexikanischen Halbinsel Yucatán. Hat der vor mehr als 10 000 Jahren Gestorbene Rüsseltiere gejagt? Sein Schädel lag zwischen den Überresten eines Mastodons. Diese Riesensäuger bevölkerten einst den nordamerikanischen Kontinent und starben erst nach Ankunft des Menschen dort aus. Zwar sind von den ersten Bewohnern der Neuen Welt, den sogenannten Paläoindianern, Hinterlassenschaften wie Werkzeuge und Waffen bekannt, jedoch kaum Knochenfunde. Das macht den Schädel aus der Hoyo Negro („Schwarzes Loch”) genannten Unterwasserhöhle so bedeutsam. „Dieser Fund ist der Heilige Gral der Unterwasser-Höhlenforschung”, freut sich Mit-Entdecker Alex Alvarez. Die Taucher hatten ihre Ausrüstung mühsam durch den dichten Wald zum Einstieg der Höhlensystems schleppen müssen. Die weitläufigen Kalksteinhöhlen Yucatáns lagen im Jungpleistozän (bis vor rund 12 000 Jahren) noch trocken; die frühen Siedler Mexikos konnten ungehindert hineinspazieren. Doch vor rund 11 800 Jahren war der Meeresspiegel so weit angestiegen, dass sie voll Wasser liefen – so wurden das Mastodon und sein mutmaßlicher Jäger konserviert.

Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 12/2011.