Fundgrube U-Bahn-Bau

Während der Vorarbeiten für die neue Metrolinie C durch das Stadtzentrum Roms haben die Archäologen schon häufiger verloren geglaubte Gebäude entdeckt. Ihr neuester Fund ist das Athenäum des Hadrian. Der Kaiser hatte das Auditorium im Jahre 133 nach Christus als kulturelle Veranstaltungs- und Bildungsstätte in Auftrag gegeben. Auf der Bühne verlasen Dichter ihre Werke, Denker diskutierten über philosophische Themen. Bis zu 200 Zuhörer fanden auf marmornen Sitzstufen Platz, welche die Ausgräber jetzt an der Piazza Venezia freigelegt haben. Die Forscher entdeckten auch einen Korridor und einen Marmorfußboden des Bauwerks. Der größte Teil der neuen Metrolinie soll in 25 bis 30 Metern Tiefe verlaufen – weit unterhalb der archäologischen Schichten. Für die Eingänge zu den Stationen und die Belüftungsschächte müssen die Planer jedoch immer wieder Platz zwischen den antiken Monumenten im Boden Roms finden. Allein an der Piazza Venezia entdeckten die Archäologen – ohne die kein Spatenstich getan werden darf – bei den Vorarbeiten bereits eine römische Taverne sowie die Fundamente eines Palastes aus dem 16. Jahrhundert. Der Eingang der Metrostation soll nun dicht neben dem Athenäum des Hadrian entstehen – an einer Stelle, an der bisher nur ein antiker Abwasserkanal gefunden worden ist.

Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 45/2009.

Antike Riesenwelle

Vor der Küste Israels hat eine Gruppe von Wissenschaftlern Spuren eines Tsunamis gefunden, der sich nach einem gewaltigen Ausbruch des Vulkans von Santorin offenbar durch das gesamte östliche Mittelmeer wälzte. Die Folgen der Katastrophe, die sich vermutlich zwischen 1630 und 1550 vor Christus ereignete, waren für die umliegende Inselwelt verheerend. Möglicherweise basiert auf dem Ereignis sogar der Atlantis-Mythos – der plötzliche Untergang einer ganzen Zivilisation. Die Welle, die dem Ausbruch folgte, muss gewaltig gewesen sein; denn die israelische Küste liegt rund tausend Kilometer von der ägäischen Vulkaninsel entfernt. In so großem Abstand vom Ort der Eruption entfernt hatte die Geoarchäologin Beverly Goodman jedenfalls nicht mit entsprechenden Spuren der Katastrophe gerechnet. Doch bei Bohrungen in einer Wassertiefe zwischen 10 und 20 Metern vor der Küste der antiken Stadt Caesarea Maritima stießen sie und ihr Team auf eine bis zu 40 Zentimeter dicke Schicht von Ablagerungen, wie sie typischerweise nach einem Tsunami entstehen. Die Datierung der Sedimentschicht legt nahe, dass die Riesenwelle mit dem Ausbruch des Vulkans auf Santorin in Verbindung stand. „Das würde auch erklären, warum im östlichen Mittelmeerraum entlang der Küste für die Zeit unmittelbar nach der Katastrophe in der Ägäis ein überraschender Mangel an archäologischen Stätten herrscht“, sagt Goodman.

Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 45/2009.

Unterirdische Heimstatt des Minotaurus

Hielt König Minos den gefährlichen Minotaurus gar nicht in seinem Palast in Knossos gefangen? Mit dieser Frage beschäftigt sich ein griechisch-britisches Expeditionsteam unter der Leitung des Geografen Nicholas Howarth von der University of Oxford. Die Höhlenforscher untersuchten ein Tunnelsystem in einem alten Steinbruch nahe der kretischen Stadt Gortyn, gut 30 Kilometer von Knossos entfernt. „Wenn der Legende ein echtes Labyrinth zugrunde liegt, dann ist es dieses“, erklärt Howarth. Insgesamt zweieinhalb Kilometer lang, stoßen die Gänge hier in unregelmäßigen Winkeln aufeinander und enden vielerorts in Sackgassen. „Es ist stockdunkel da unten und so unübersichtlich, dass man sich sehr leicht verirren kann“, berichtet Howarth. Die heute geläufige Legende, dass der Minotaurus in den Gängen des Palastes von Knossos hauste, geht vornehmlich auf die Auslegung des britischen Archäologen Sir Arthur Evans zurück, der die Palastanlage zu Beginn des vorigen Jahrhunderts ausgrub. Dabei kannten die Einheimischen die Höhlen von Gortyn schon lange vor Evans‘ Entdeckung – und gaben ihnen den Namen Labyrinthos. „Wir fanden Dutzende von uralten Fadenresten an den Wänden – als ob die Leute hier schon oft die Legende von Theseus nachgespielt hätten, der mit Hilfe eines Fadens seinen Weg durch das Labyrinth fand und schließlich den Minotaurus tötete“, sagt Howarth.

Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 44/2009.

Das Lächeln des Todes

Erschienen in Geo, Juli 2009
geschichte – Forscher haben die giftige Pflanze gefunden, deren Extrakt das »sardonische Grinsen« auslöst
Auf Sardinien gab es in vorrömischer Zeit einen grausi-gen Brauch: Wer zu alt war, um sich selbst zu versorgen, den erschlugen seine Söhne oder stießen ihn die Klippen hinab. So jedenfalls berichtete es der griechische Geschichtsschreiber Timaios. Weiterlesen

Kneipe im Wohnzimmer

Dass die Alten Griechen ihre Abende bevorzugt zechend in der Taverne verbrachten, wollen uns zahlreiche Komödien und Anekdoten weismachen – nur fanden Archäologen bislang nie Überreste dieser angeblich so verbreiteten Eckkneipen. Das brachte Clare Kelly Blazeby von der University of Leeds auf die Idee, dass ihre Kollegen vielleicht nach den falschen Spuren gesucht haben könnten: Die Tavernen des klassischen Griechenland, so Blazebys Hypothese, waren keine eigens zu diesem Zweck genutzten Gebäude. Statt dessen funktionierten die Griechen ihre Wohnräume zu Kneipen um. Als Beleg dafür sieht Blazeby die Unmengen Geschirr, die in etlichen Privathäusern gefunden wurden – viel mehr, als selbst eine kinderreiche Großfamilie gebraucht hätte. Allein aus den Ruinen eines Wohnhauses in Halieis etwa holten die Archäologen 209 Trinkbecher und 148 Krüge. In den Abfallgruben solcher Häuser fanden Ausgräber meist auch außergewöhnlich viele Tierknochen – die Forscher schließen daraus, dass bei den Gelagen auch Snacks ausgegeben wurden.

Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 04/2009.