Wer zu viel oder falsch fischte, konnte des Todes sein. Jahrhundertelang galten auf Hawaii strenge Fangregeln, um die Fischbestände zu schützen: Die moderne Fangindustrie könnte viel vom alten Gesetz der Insulaner lernen, meinen zwei Forscher, die die Fischerei Hawaiis mit der Floridas verglichen haben.
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Walfangboot des Alaska-Kriegers
Forscher sind auf das weltweit einzige bekannte Kajak eines Alutiiq-Kriegers gestoßen. Der Fund wird derzeit am Peabody Museum an der Harvard University untersucht. Um das Jahr 1860 baute der unbekannte Mann das Boot, indem er die Häute von fünf weiblichen Seelöwen über ein ausgeklügeltes Holzskelett spannte. Mit dem Kajak ging er dann vermutlich in den Gewässern um Kodiak Island auf Walfang. Die außergewöhnliche Konstruktion mit einem gegabelten Bug ermöglichte es ihm, besonders kräftesparend übers Wasser zu gleiten. Die heute noch in Südalaska lebenden rund 4000 Angehörigen der Volksgruppe wissen über die seetüchtigen Boote ihrer Vorfahren nur noch wenig. Über 7000 Jahre Erfahrungen stecken in der Konstruktion dieses Kajaks, sagt der Anthropologe Sven Haakanson, selbst ein Alutiiq. Bei den Analysen wollen die Wissenschaftler herausfinden, womit der Konstrukteur die Seelöwenhaut imprägnierte und von welchen Tieren die Sehnen stammen, mit denen die Häute zusammengenäht wurden. Auch für einige Strähnen Menschenhaar nahe dem Bug interessiert sich Haakanson: Vielleicht verkörpern sie den Geist einer mächtigen Persönlichkeit, die dem Eigentümer im Krieg oder beim Walfang half. Die heute lebenden Alutiiq benutzen moderne Boote.
Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 16/2012.
Gelehrter hinter Gittern
Es gibt Orte, an denen man keine begnadeten Hieroglyphen-Experten vermutet. Dennoch steht als Adresse unter einem Kommentar in der März/April-Ausgabe im Fachblatt Biblical Archaeology Review das Gefängnis im kalifornischen Tehachapi. Dort sitzt der Gefangene No. J81861, Timothy Fenstermacher, ein. Der heute 40-Jährige landete vor 16 Jahren nach einer Meeserstecherei im Knast. Dort begann er, die ägyptische Hieroglyphen-Schrift zu erlernen. Die Pappen seiner Milchkartons dienten ihm als Karteikarten. Er beschrieb sie mit Hieroglyphen und lernte diese dann bei den Workouts im Gym auswendig. Mittlerweile korrespondiert er mit Ägyptologen auf der ganzen Welt. Bücher und Aufsätze schicken ihm Freunde; er selbst hat weder Geld noch einen Internetzugang. Was er nach seiner Entlassung in einem Jahr machen will? Vielleicht einen Truck fahren, sagt er – oder ein Buch über ägyptische Grabmalerei schreiben.
Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 13/2012.
Apps gegen das Sprachsterben
Von den rund 7000 Sprachen, die auf der Welt gesprochen werden, wird vermutlich die Hälfte bis zum Ende des Jahrhunderts verschwunden sein. Um möglichst viele doch noch zu retten, setzen Linguisten auch auf Smartphones und das Internet. Unter anderem gibt es jetzt eine App für Anishinaabemowin – eine nordamerikanische Indianersprache, die rund um die Großen Seen verbreitet war. Zusammen mit Kollegen hat die Linguistin Margaret Noori (die noch von ihren Eltern Anishinaabemowin gelernt hat) von der University of Michigan acht Talking Dictionaries vorgestellt: digitale Wörterbücher, mit denen man sowohl Vokabeln als auch die korrekte Aussprache einer aussterbenden Sprache lernen kann. So lassen sich bereits Anwendungen für Tuwinisch, eine Sprache aus der Mongolei und Sibirien, sowie für das indische Ho finden. Ihrer Tochter erklärte Noori: Du kriegst nur dann ein iPhone, wenn du mir SMS mit unserer App schreibst.
Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 10/2012.
Schädel im U-Boot
In der Stadt Charleston wird eines der ältesten Kriegs-U-Boote der Weltgeschichte erstmals vollständig gezeigt. Kein noch lebender Mensch hat jemals die H.L.Hunley komplett gesehen – bis heute!, freut sich der an der Restaurierung beteiligte Ingenieur John King. Das 13 Meter lange Unterwasserfahrzeug befand sich während des amerikanischen Bürgerkriegs im Dienst der Südstaaten, als es am 17. Februar 1864 vor Charleston sank. Nach der Bergung im Jahr 2000 mussten die Restauratoren das Gefährt zunächst von zehn Tonnen Sediment befreien; im Innern des U-Boots hatten sich die Ablagerungen mit Knochen, darunter Schädel, und angeblich sogar Gehirnmasse der Besatzung vermischt. Mit Hilfe der Schädel gelang es Forensikern, die Gesichter der Crew-Mitglieder zu rekonstruieren. Schon vor ihrem finalen Einsatz war die H.L.Hunley zweimal gesunken, wobei 13 Besatzungsmitglieder starben. Ihre Leichen, die in dem extrem engen Vehikel festgeklemmt waren, mussten zersägt werden, um das U-Boot für die nächsten Fahrten wieder zu räumen.
Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 05/2012.
Hunde als Schafe
Bis ins 19. Jahrhundert hinein haben sich nordwestamerikanische Ureinwohner offenbar langhaarige Hunde als Wolllieferanten gehalten. Die an der Pazifikküste lebenden Salish verwoben die Wolle der Vierbeiner in ihren Decken. Das haben britische Archäologen von der University of York bei der Materialanalyse von Textilien herausgefunden, die frühere Expeditionen an die Westküste bei den Salish eingesammelt hatten. Reine Hundehaardecken gab es bei den Ureinwohnern allerdings nicht; vielmehr mischten sie die Hundewolle mit Haaren von Ziegen und Schafen, wie die Wissenschaftler im Fachblatt Antiquity berichteten. Die Textilanalysen bestätigen Berichte von europäischen Entdeckungsreisenden des 18. Jahrhunderts. Schon diese hatten beschrieben, dass die Salish ihre Wollhunde auf kleinen, der Küste vorgelagerten Inseln züchteten, damit die Tiere sich nicht mit den kurzhaarigen Dorfhunden paaren konnten.
Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 49/2011.
Löste Columbus die Kleine Eiszeit aus?
Als Christoph Columbus Amerika erreichte, könnte er ungewollt den Startschuss für die sogenannte Kleine Eiszeit gegeben haben. Diese Theoriehat der US-Geochemiker Richard Nevle jetzt auf dem Jahrestreffen der Geological Society of America vorgestellt. In den Jahrzehnten nach Columbus‘ Entdeckungsfahrt rafften Kriege und eingeschleppte Krankheiten die einheimische Bevölkerung dahin. Als Columbus 1492 eintraf, lebten noch 40 Millionen Eingeborene auf den amerikanischen Kontinenten. Bis zu 90 Prozent von ihnen starben durch die Eroberungszüge der Europäer. Als Folge wurde weniger Holz verbrannt, riesige Flächen des zuvor bestellten Landes lagen brach, die Bäume kehrten zurück. Die neuen Wälder, so hat Nevle ausgerechnet, könnten bis zu 17 Milliarden Tonnen CO2 aus der Erdatmosphäre aufgenommen haben. Aufgrund des dadurch verringerten Treinhauseffektes habe sich die Atmosphäre merklich abgekühlt. Insbesondere auf der Nordhalbkugel gab es zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert tatsächlich eine Kälteperiode; Flüsse froren häufiger zu, es kam zu Missernten.
Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 43/2011.
Schrumpfköpfe durch Erdpech?
Natur-Asphalt war für die Chumash-Indianer ein wahres Wundermittel. Die Indianer, die von etwa 6500 vor Christus bis ins Jahr 1782 Inseln und Festland des heutigen Südkalifornien bewohnten, dichteten mit dem Erdpech Wasserflaschen und Boote ab, sie behandelten damit Gelenkerkrankungen und Knochenbrüche – und verwendeten es sogar als Kaugummi. Doch für den Gebrauch dieser Allzweckwaffe zahlten sie möglicherweise einen hohen Preis. Ein amerikanisch-schwedisches Forscherteam vermutet, dass Bitumen die Chumash zu einem chronisch kranken Volk machte. Für ihre Studie untersuchten die Anthropologen die Schädel von 269 erwachsenen Chumash, die auf den Inseln Santa Rosa und Santa Cruz begraben worden waren. Dabei kam heraus, dass die Schädel mit der Zeit geschrumpft waren. Mögliche Erklärung: Natur-Asphalt enthält viele polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK). Bei Babys, deren Mütter während der Schwangerschaft verstärkt diesen organischen Verbindungen ausgesetzt waren, kann es zu Kleinwuchs und kleineren Kopfumfängen kommen. Eine ältere Studie hatte gezeigt, dass die Chumash über einen Zeitraum von 7500 Jahren um zehn Zentimeter geschrumpft sind. Zudem kam bei den Indianern noch etwas hinzu: Statt Pflanzen und Schalentieren aßen sie häufig Fische – die waren aber stark mit PAK belastet.
Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 42/2011.
Wracks im Giftschlamm
Nach dem neuesten Fund von John Vetter wird kaum ein Schatztaucher freiwillig tauchen wollen. Der Archäologe entdeckte mit Hilfe von Sonartechnik vier Schiffswracks auf dem Grund des Gowanus Canal – eines der wohl dreckigsten Gewässer von New York City. Vetter gehört zu einem Team von Forschern, die im Auftrag der US-Umweltbehörde die Verschmutzung des Kanals untersuchten, wozu formal auch die archäologischen Funde gehören: ein 18 Meter langes Holzboot, das noch aus dem 17. Jahrhundert stammen könnte, zwei Frachtkähne von 38 und 33 Metern Länge sowie ein kleineres Boot. Der neue Report der Umweltbehörde listet aber auch ernsthafte Ökoprobleme auf, hohe Konzentrationen an polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen etwa, die zum Teil krebserregend sind. Eine Sprecherin der Umweltbehörde riet, jeden Kontakt mit dem Wasser des Kanals dringend zu vermeiden.
Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 08/2011.
Braukunst aus dem Weißen Haus
Thomas Jefferson war dritter Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Architekt, Gartenbauer, Archäologe, Musiker, Erfinder – und Bierbrauer. Von diesem bislang eher wenig bekannten Talent des Universalgenies können sich künftig Besucher seines Anwesens Monticello im US-Bundesstaat Virginia überzeugen. Dort findet am 21. Februar die Präsentation des Monticello Reserve Ale statt. Ein Braumeister der Starr Hill Brewery braut jetzt wieder wie einst der Präsident. Dabei hatte er jedoch nur vage Vorgaben. Jefferson verwendete für sein Bier, was gerade reif und ausreichend vorhanden war: Gerste, Weizen oder Mais. Auf einen Scheffel Malz kamen drei viertel Pfund Hopfen. Brauen war auf Monticello allerdings anfangs Frauensache: Die Aufsicht führte Gattin Martha. Nach dem Ende seiner Amtszeit ließ Jefferson eigens ein Brauhaus auf Monticello errichten und bildete sogar Sklaven in der Braukunst aus. Jefferson war im übrigen nicht der einzige US-Präsident, der Alkohol herstellte. Der erste US-Präsident George Washington avancierte als Polit-Rentner zum bedeutendsten Whiskeyproduzenten des jungen Landes mit einer Jahresproduktion von 11 000 Gallonen (etwa 41 640 Liter).
Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 06/2011.