Gelehrter hinter Gittern

Es gibt Orte, an denen man keine begnadeten Hieroglyphen-Experten vermutet. Dennoch steht als Adresse unter einem Kommentar in der März/April-Ausgabe im Fachblatt „Biblical Archaeology Review” das Gefängnis im kalifornischen Tehachapi. Dort sitzt der Gefangene No. J81861, Timothy Fenstermacher, ein. Der heute 40-Jährige landete vor 16 Jahren nach einer Meeserstecherei im Knast. Dort begann er, die ägyptische Hieroglyphen-Schrift zu erlernen. Die Pappen seiner Milchkartons dienten ihm als Karteikarten. Er beschrieb sie mit Hieroglyphen und lernte diese dann bei den Workouts im Gym auswendig. Mittlerweile korrespondiert er mit Ägyptologen auf der ganzen Welt. Bücher und Aufsätze schicken ihm Freunde; er selbst hat weder Geld noch einen Internetzugang. Was er nach seiner Entlassung in einem Jahr machen will? Vielleicht einen Truck fahren, sagt er – oder ein Buch über ägyptische Grabmalerei schreiben.

Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 13/2012.

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