Schweine grunzen, Häuser brennen, Menschen tragen Neolithikum-Look: So real sah Archäologie selten aus. Forscher haben eine der ersten Städte der Menschheit virtuell wiederauferstehen lassen. Jeder kann die 9000 Jahre alte Metropole Çatal Höyük bereisen – und in „Second Life“ gleich mitexperimentieren.
Archiv des Autors: Angelika Franz
Schiffsfriedhof in der Wüste
Mitten im ausgetrockneten Wüstenboden des ägyptischen Wadi Gawasis ist die amerikanische Archäologin Kathryn Bard auf eine seit Jahrtausenden unversehrte Kammer gestoßen, in der sie ganz anderes als Goldschätze oder Mumien vermutet: antike Schiffsausrüstungen. Denn in jener Gegend, wo heute Geröll und Sand die Ruinen überdecken, lag einst eine Lagune des Roten Meeres. Von dort aus brachen die Ägypter einst zu Expeditionen in das sagenumwobene Land Punt auf. Überreste der altertümlichen Hochseeschiffe wie Anker, Planken, Ruder und Seile hat die Ägyptologin von der Boston University zuvor schon in ähnlichen Wüstenkammern gefunden: Die Taue waren ordentlich aufgewickelt und verknotet – so wie ein ägyptischer Seemann sie vor 3800 Jahren verstaut hatte, berichtet Ward. Außerdem lagerten dort Kisten mit der Hieroglyphen-Aufschrift Wunderdinge aus Punt – leider waren sie leer. Den einstigen Transport der Schiffe an das Ufer des Roten Meeres hält die US-Forscherin für eine logistische Meisterleistung. In Einzelteile zerlegt, wurden die Hochseeschiffe von den großen Docks am Nil auf Eseln durch die Wüste zum Hafen von Gawasis gebracht. Erst am Ankunftsort bauten Zimmerleute die Teile dann wieder zusammen.
Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 4/2010.
Traditionsbordell mit christlicher Mission
Das älteste Gewerbe der Welt hat auch im spanischen Málaga eine lange Tradition. Die Archäologin Sonia López fand jetzt bei Ausgrabungen im Rotlichtviertel der andalusischen Stadt heraus, dass die Herren des Ortes für käuflichen Sex über 500 Jahre lang die gleichen Häuser aufsuchten. Wenige Gebäude Europas haben eine ähnlich lange Geschichte. Inzwischen ist die Gegend zwischen der Calle Nosquera und der Muro de las Catalinas gesperrt, da die alten Mauern 46 neuen Häusern mit Sozialwohnungen weichen sollen. Doch bis in die jüngste Vergangenheit nutzten die Damen des horizontalen Gewerbes genau jene Räume, die ein Edelmann aus Murcia bereits Ende des 15. Jahrhunderts als Bordellhäuser errichten ließ. Der Adlige bekam den Straßenzug vom spanischen Königspaar für seine Dienste bei der Rückeroberung der Stadt von den Mauren am 19. August 1487 geschenkt – allerdings mit dem Auftrag, dort wieder christliche Sitten einzuführen. Dieses Ansinnen interpretierte der Herr etwas eigenwillig: Er ließ in sämtlichen seiner neuen Gebäude Huren einziehen. Für die erbetene Frömmigkeit sorgte der Zuhälter aus dem Mittelalter lediglich durch die Auflage, dass die Damen mindestens einmal im Jahr zur Kirche gehen mussten. Außerdem bestellte er einen Arzt, der jeden Samstag das Viertel besuchte. Damit es einigermaßen züchtig zuging, wurde in den frühen Freudenhäusern auch kein Alkohol ausgeschenkt; und nach Einbruch der Dunkelheit wurden die Gassen abgeriegelt.
Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 3/2010.
Vergessene Baumeister des Dschungels
Der rücksichtslose Kahlschlag am Amazonas hat mysteriöse Spuren aus der Vergangenheit freigelegt: Wissenschaftler haben auf Luftaufnahmen Hunderte Gräben entdeckt. Die geometrischen Formen auf der Erdoberfläche zeugen von einer komplexen Zivilisation, die bisher unbekannt war.
Huch, es ist der Santa Blaus!
In den Trümmern einer US-Spielzeugfabrik machten Archäologen einen spektakulären Fund: den ältesten Spielzeugweihnachtsmann der Welt – und der trug blau. Den roten Einheitsdress für Santa entwarf ein Cartoonist erst viel später, für eine Werbekampagne. Doch nun erlebt der blaue Mantel ein Comeback.
Schatz im Vulkansee
Schon als Kind hörte Roberto Samayoa die Legenden von einer Kirche in einem guatemaltekischen See. Als er dann beim Tauchen tatsächlich Tempel entdeckte, fehlte das Geld für Forschungen. Erst jetzt bestätigen Archäologen: Er hat eine spektakuläre Pilgerstätte der Maya gefunden.
Suche im Shakespeare-Müll
Was stand bei Shakespeare zum Abendbrot auf dem Tisch? Diese und ähnlich intime Fragen hoffen Archäologen zu klären, wenn im kommenden Jahr die Ausgrabungen in Stratford- upon-Apon beginnen jenem Ort, wo das Wohnhaus des britischen nationaldichters stand und er seine letzten Lebensjahre verbrachte. Danach wollen die Forscher ihre Aufmerksamkeit vor allem auf die Abfallgruben des später umgebauten und eingerissenen Hauses richten. Hier erhoffen sie sich spannende Einsichten in die Eßgewohnheiten von Shakespeare sowie dessen Alkohol- und Tabakkonsum, den sie anhand von Scherben und zerbrochenen Tabakpfeifen zu rekonstruieren hoffen. Das Anwesen New Place war einst ein schmuckes Anwesen mit zehn Kaminen und fünf Giebeln.
Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 52/2009.
German Excavation Reveals Signs of Mass Cannibalism
Was it mass cannibalism, ritual slaughter or both? Archaeologists who unearthed the remains of 500 Stone Age corpses in the German town of Herxheim say the meat was cut off their bones as if they were livestock. One conclusion is that the people were eaten — after volunteering to be sacrificed.
Die Menschenschlachter von Herxheim
Ein grausiger Fund gibt Archäologen Rätsel auf. In der Pfalz haben Forscher mehr als 500 Tote gefunden, denen vor 7000 Jahren das Fleisch wie bei Schlachtvieh von den Knochen geschabt wurde. Der Verdacht der Ausgräber: Die Menschen wurden verspeist – und sie haben sich offenbar freiwillig geopfert.
Der Imperotor
Erschienen in Geo, Dezember 2009
Ausgräber glauben, Neros Speisesaal entdeckt zu haben – das erste Drehrestaurant der Welt
Der römische Kaiser Nero (54 – 68 n. Chr.) mag kein guter Herrscher gewesen sein. Aber eines konnte der Tyrann besser als die meisten Regenten vor oder nach ihm: ausschweifende Parties feiern.
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