Schiffsfriedhof in der Wüste

Mitten im ausgetrockneten Wüstenboden des ägyptischen Wadi Gawasis ist die amerikanische Archäologin Kathryn Bard auf eine seit Jahrtausenden unversehrte Kammer gestoßen, in der sie ganz anderes als Goldschätze oder Mumien vermutet: antike Schiffsausrüstungen. Denn in jener Gegend, wo heute Geröll und Sand die Ruinen überdecken, lag einst eine Lagune des Roten Meeres. Von dort aus brachen die Ägypter einst zu Expeditionen in das sagenumwobene Land Punt auf. Überreste der altertümlichen Hochseeschiffe wie Anker, Planken, Ruder und Seile hat die Ägyptologin von der Boston University zuvor schon in ähnlichen Wüstenkammern gefunden: „Die Taue waren ordentlich aufgewickelt und verknotet – so wie ein ägyptischer Seemann sie vor 3800 Jahren verstaut hatte“, berichtet Ward. Außerdem lagerten dort Kisten mit der Hieroglyphen-Aufschrift „Wunderdinge aus Punt“ – leider waren sie leer. Den einstigen Transport der Schiffe an das Ufer des Roten Meeres hält die US-Forscherin für eine logistische Meisterleistung. In Einzelteile zerlegt, wurden die Hochseeschiffe von den großen Docks am Nil auf Eseln durch die Wüste zum Hafen von Gawasis gebracht. Erst am Ankunftsort bauten Zimmerleute die Teile dann wieder zusammen.

Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 4/2010.

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