Kurzes Glück der Freiheit

Auf der Insel St. Helena im Südatlantik haben englische Archäologen einen Sklavenfriedhof ausgegraben. Das Eiland beherbergte im 19. Jahrhundert nicht nur den französischen Diktator Napoeleon für die letzten Jahre seines Lebens, sondern war auch Auffanglager der britischen Royal Navy für befreite Sklaven. Viele der Geretteten waren aber offenbar so krank und entkräftet, dass sie die Freiheit nicht lange überlebten. Zwischen 1840 und 1872 transportierte die Royal Navy rund 26000 befreite Sklaven nach St. Helena – von denen vermutlich über 5000 auf der Insel umkamen. In England selbst war der Sklavenhandel seit 1807 verboten. Trotzdem wurden weiterhin Gefangene von Afrika in die Karibik auf die dortigen Zuckerrohr- und Baumwollplantagen verschleppt. Insgesamt konnten die Briten rund 1600 Sklavenschiffe aufbringen und 150000 Afrikaner aus den Ketten befreien. Der Friedhof wurde bei Vorarbeiten zum Bau eines neuen Flughafens auf St. Helena entdeckt.

Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 12/2012.

Griechen in Not

Auch für Ausgrabungen fehlt in Griechenland derzeit das Geld. Griechische Archäologen sind deshalb dazu übergegangen, neue Funde lieber nicht auszugraben, als sie an der Oberfläche verfallen zu lassen. „Mutter Erde ist die beste Beschützerin für unsere Altertümer”, erklärte Michalis Tiverios von der Aristoteles-Universität Thessaloniki am Rande eines Kongresses in Athen. Auf sein Betreiben bleiben etwa Reste einer frühchristlichen Kirche in Thessaloniki unangetastet, die vor zwei Jahren entdeckt worden sind. „Lasst unsere Altertümer in der Erde, damit Archäologen sie 10000 nach Christus finden können – wenn die Griechen und ihre Politiker mehr Respekt für ihre Geschichte gelernt haben”, fordert Tiverios. Ein weiteres Problem sind die Plünderer: Auch für Sicherheitspersonal, das die Altertümer bewacht, ist kaum Geld da. Unlängst machten sich Raubgräber über den antiken Friedhof von Pella her, der einstigen Hauptstadt des Makedonenreiches unter Alexander dem Großen. Auf dem Areal wurden verstorbene Herrscher oft mit reichen Goldbeigaben bestattet. „Im Jahr 2011 konnten wir dort nicht arbeiten”, beklagt sich Grabungsleiter Pavlos Chrysostomou. „Wir fanden aber zehn neue Gruben vor, die nicht wir geschaufelt hatten.”

Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 11/2012.

Apps gegen das Sprachsterben

Von den rund 7000 Sprachen, die auf der Welt gesprochen werden, wird vermutlich die Hälfte bis zum Ende des Jahrhunderts verschwunden sein. Um möglichst viele doch noch zu retten, setzen Linguisten auch auf Smartphones und das Internet. Unter anderem gibt es jetzt eine App für Anishinaabemowin – eine nordamerikanische Indianersprache, die rund um die Großen Seen verbreitet war. Zusammen mit Kollegen hat die Linguistin Margaret Noori (die noch von ihren Eltern Anishinaabemowin gelernt hat) von der University of Michigan acht „Talking Dictionaries” vorgestellt: digitale Wörterbücher, mit denen man sowohl Vokabeln als auch die korrekte Aussprache einer aussterbenden Sprache lernen kann. So lassen sich bereits Anwendungen für Tuwinisch, eine Sprache aus der Mongolei und Sibirien, sowie für das indische Ho finden. Ihrer Tochter erklärte Noori: „Du kriegst nur dann ein iPhone, wenn du mir SMS mit unserer App schreibst.”

Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 10/2012.

Fesch und Chips

Erschienen in Geo, März 2012
Zahlte man in Bordellen Englands mit Spielgeld? Eine Münze aus römischer Zeit legt dies nahe
Der kleine Chip sieht aus wie ein Geldstück. Doch was jüngst mit einem Metalldetektor aus dem Uferschlamm der Themse gefischt wurde, konnte man gewiss nicht in einem Gemüseladen gegen Blumenkohl eintauschen. Denn die Vorderseite trägt nicht das Konterfei eines Kaisers oder einer Gottheit – sondern zeigt einen Mann und eine Frau beim Sex: Die Frau liegt auf dem Bauch, der Mann kniet über ihr. Auf der Rückseite steht die römische Zahl XIIII.

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Costa Concordia verunglückte über antikem Schiffsfriedhof

Der Kapitän der Costa Concordia war nicht der Erste. In den vergangenen 2600 Jahren versenkten mehr als ein Dutzend Seefahrer ihre Schiffe rund um die Insel Giglio. Fast hätte der Italiener das Kreuzfahrtschiff sogar auf ein antikes Wrack gesetzt.

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Bewacher aus Stein

Die Armee ist zwar klein, aber bemerkenswert: Auf Sardinien haben Archäologen und Konservatoren eine Schar lebensgroßer Steinskulpturen aus dem 8. Jahrhundert vor Christus wiederauferstehen lassen. In acht Jahren mühsamer Puzzlearbeit setzten sie die in viele tausend Teile zersprungenen Krieger wieder zusammen. Nun sollen im Sommer 25 der Steinsoldaten im Archäologischen Nationalmuseum von Cagliari im Süden der Insel ausgestellt werden. In der Eisenzeit schmückten sie die Elitegräber der späten sardischen Nuraghen-Kultur, ein halbes Jahrtausend bevor ein chinesischer Kaiser auf eine ähnliche Idee mit Soldaten aus Terrakotta kam. Unter den sardischen Kriegern sind Bogenschützen und wahrscheinlich auch Schwertkämpfer. Einige weitere als „Boxer“ bezeichnete Statuen halten in der linken Hand ihren Schild über den Kopf. Viele tragen Rüstungen und gehörnte Helme. Die Nuraghen-Kultur beherrschte Sardinien vom 18. bis ins 6. Jahrhundert vor Christus. Bis heute sind rund 7000 ihrer Befestigungsanlagen auf der Mittelmeerinsel bekannt. Genützt hat es ihne am Ende nichts: Die Karthager eroberten Sardinien nach und nach – und zerschlugen dabei wohl auch die steinernen Krieger.

Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 09/2012.

Bierbrauer in Grönland

Die Wikinger liebten Bier – so sehr, dass sie offenbar nicht darauf verzichten mochten, als einige von ihnen sich mit Erik dem Roten vor 1000 Jahren auf Grönland ansiedelten. Doch war es während der Wärmeperiode im Mittelalter tatsächlich mild genug, um die Gerste dafür anbauen zu können? Forscher vom dänischen Nationalmuseum in Kopenhagen haben die Antwort auf diese Frage jetzt am Boden eines Müllhaufens aus der Zeit der Wikinger gefunden. Dort entdeckten sie kleine Stückchen verkohlter Ähren. Sie stammen aus den Anfangsjahren der Wikingersiedlung im Süden Grönlands – die Neuankömmlinge müssen also gleich nach der Ankunft mit dem Anbau des Getreides begonnen haben. Dass die Siedler die Gerste zu Brauzwecken aus der skandinavischen Heimat importierten, schließen die Wissenschaftler aus. Die Ähren hätten zu viel Platz in den Stauräumen der Schiffe eingenommen. „Wenn die Gerste importiert worden wäre, dann wäre sie gedroschen gewesen“, erklärt der Agrawissenschaftler Peter Steen Henriksen. Auf die Forscher wartet nun noch viel Arbeit: 300 weitere Kilo Kompost haben sie zur genauen Untersuchung mit nach Dänemark genommen.

Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 07/2012.

Anstößiges Kreuz

Im irischen Wicklow könnte demnächst eine ungewöhnliche Ausgrabung starten. Gesucht wird ein keltisches Kreuz, das seit den späten fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts verschollen ist. Bis dahin stand es noch vor der St. Patrick’s Church – wie ein Foto belegt, das die Facebook-Gruppe „Wicklow Past” auf ihrer Seite veröffentlichte. Seit langem wird gerätselt, wohin das Steinmal über Nacht verschwunden ist. Unter Verdacht steht der damalige Priester Matthew Blake. Er soll das Kreuz beseitigt haben, weil darauf unzüchtige Darstellungen eingraviert waren – vielleicht eine „Sheela-na-Gig”: Gemeint sind damit in Irland und Großbritannien verbreitete Steinreliefs, auf denen weibliche Figuren ihre Vulva zur Schau stellen. Offenbar war Blake jedoch nicht der Einzige, dem das Kreuz unheimlich war: Kirchgänger berichteten einst, dass sie Geister oder Feen bei dem Kreuz gesehen hätten. Die Ausgräber hoffen, das verschwundene Steinmal jetzt unter dem Kirchgelände zu finden.

Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 06/2012.