Bierverächter aus Rom

Obwohl die Römer fast 400 Jahre lang in Britannien lebten, konnten sie sich wohl an eines nie gewöhnen: das britische Bier. Dafür spricht der Fund einiger Weinamphoren neben dem ehemaligen römischen Kastell Arbeia in South Shields, im Nordosten Englands. Die Vorratsgefäße stammen wahrscheinlich aus der italienischen Region Kampanien. Von einer Amphore sind fast alle Scherben noch da. Sie war fast einen Meter hoch – Platz für viele Liter Wein. „Behältnisse dieser Art wurden zum Transport großer Mengen genutzt”, sagt der Archäologe Nick Hodgson, der die Ausgrabungen leitete. „Das Bedeutende an dem Fund ist, dass diese Amphoren zu einem späteren römischen Typus gehören, der erst ab 250 nach Christus hergestellt wurde. Es zeigt, dass die Römer in diesen späten Jahren immer noch lieber Wein vom Mittelmeer tranken, als dass sie mit Bier Vorlieb genommen hätten.” zu diesem Zeitpunkt hatten die Römer seit der Invasion Britanniens im Jahr 43 nch Christus bereits rund 200 Jahre lang Zeit gehabt, sich mit dem britischen Gebräu anzufreunden.

Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 45/2011.

Die Sandalen von Camelon

Sie kamen, sahen – und hinterließen ihre Sandalen. Eine ungewöhnliche Entdeckung haben Archäologen in zwei römischen Lagern im schottischen Camelon gemacht. In einem Festungsgraben lagen 120 Ledersandalen mit genagelten Sohlen. Warum die römischen Soldaten so hoch im Norden derart viel Fußbekleidung horteten, ist für die Ausgräber ein Rätsel. Bislang glaubten die Forscher, die Römer hätten in dieser Region stets nur kurz ihre Lager aufgeschlagen. Tatsächlich aber scheinen sich die Besatzer in Camelon häuslich eingerichtet zu haben. Das Dorf gilt als einer der möglichen Orte für Camelot, den Hof des Sagenkönigs Artus. Einige Historiker glauben sogar, dass der angebliche Briten-Herrscher in Wahrheit ein Römer war.

Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 41/2011.

Skelette unter der Bahnhofshalle

Wenn demnächst Reisende in der neuen Halle der Londoner Liverpool Street Station ihre Fahrkarten lösen, dürften sie kaum ahnen, dass sie auf einer riesigen Grabstätte stehen. Während der Bauarbeiten stießen die hinzugezogenen Archäologen schon bei ersten Testgrabungen auf fast hundert Skelette. Offenbar verbirgt sich dort der verschollene Friedhof des Bethlem Hospital, der ältesten psychiatrischen Klinik der Welt. Bis ins 19. Jahrhundert vergruben erst die Mönche, die das Klosterhospital betrieben, und später auch Anwohner an diesem Ort ihre Toten. Dabei gingen sie wenig pietätvoll zu Werk: Bis zu sechs Skelette wurden pro Kubikmeter beigesetzt. Gegründet im Jahr 1247, begann das Priorat St. Mary Bethlehem ab 1377 mit der Behandlung von psychisch Kranken. Die Therapie bestand darin, die Insassen an die Wand zu ketten und, wenn sie aufbegehrten, mit der Peitsche zu disziplinieren. Gegen ein Eintrittsgeld von einem Penny konnten Schaulustige sie sogar besichtigen. Erst ab 1770 wurden die psychisch Kranken als Patienten angesehen.

Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 18/2011.

The King’s Blood

War König Heinrich VIII. von England ein kranker Mann? Bekannt ist, dass sich der gelehrte und sportbegeisterte Herrscher am Ende seines Lebens in einen kränklichen und griesgrämigen Tyrannen verwandelte. Zwei US-Wissenschaftlerinnen glauben darin die Anzeichen eines Erbleidens erkennen zu können. Die Archäologin Catrina Whitley und die Anthropologin Kyra Kramer haben bei der Queen bereits um Erlaubnis angefragt, den 1547 verstorbenen Monarchen zu exhumieren. In Heinrichs DNA wollen sie nach Hinweisen auf sogenannte Kell-Antigene suchen, wie sie sich nur bei etwa 0,2 Prozent der Bevölkerung finden. Ein reinerbiger Träger Kell-positiven Bluts kann sich nur bedingt mit einer Trägerin Kell-negativen Bluts fortpflanzen – was die vielen Fehlgeburten von Heimrichs ersten beiden Frauen, Katharina von Aragón und Anne Boleyn, erklären würde. Außerdem können Kell-positive Menschen am McLeod-Syndrom leiden, einer seltenen Genmutation auf dem X-Chromosom. Menschen mit dieser Krankheit zeigen oft frühzeitig Anzeichen körperlichen und seelischen Verfalls, wie sie auch für Heinrich nach seinem 40. Lebensjahr überliefert sind. Das britische Königshaus hat sich zum Anliegen der Forscherinnen noch nicht geäußert.

Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 10/2011.

Steine schleppen ohne Muskelkater

Schottland – Im Osten Schottlands gibt es eine Menge kleiner, verzierter Steinkugeln. Spielten die Leute in der Jungsteinzeit damit etwa Tennis oder Cricket? Der Archäologe Andrew Young hat eine bessere Erklärung: Steinzeitliche Baumeister könnten die Bälle benutzt haben, um damit Riesensteine zu bewegen für Monumente in Schottland oder Stonehenge. Das ist ein Bauwerk im Süden Englands, das aus meterhohen Steinen besteht.
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Kugellager für den Hinkelsteintransport

Das schottische Aberdeenshire ist unter Archäologen für zwei Dinge bekannt: für Funde von etwa tennisballgroßen Steinkugeln und für seine megalithischen Steinkreise. Nun hat der Archäologe Andrew Young von der University of Exeter herausgefunden, dass die kleinen Steinkugeln und die prähistorischen Steinkreise zusammenhängen könnten. Die Baumeister der Monumente, meint Young, benutzten die Bälle, um darauf die großen Brocken zu transportieren. Der Forscher kam darauf, weil fast alle der über 400 bekannten Steinkugeln gleich groß sind – ihr Durchmesser beträgt ziemlich genau 70 Millimeter. Anhand eines kleineren Holzmodells konnte er zeigen, dass die Methode einwandfrei funktioniert: „Ich legte 100 Kilogramm Beton auf die Kugeln und schaffte es, das Gewicht mühelos mit einem Finger zu bewegen”, berichtet der Forscher. Die Megalithen der schottischen Steinkreise bringen allerdings bis zu 70 Tonnen auf die Waage. Also konstruierte Young ein größeres Modell – stabil genug, um zumindest das Gewicht eines kleineren Hinkelsteins zu tragen. Mit acht Leuten konnte sein Team auch diese Riesenlast mühelos auf den kleinen Kugeln transportieren. Auch im südenglischen Stonehenge, so vermutet der Experte für experimentelle Archäologie, könnten die Steinzeitspediteure ihre Sarsensteine auf solchen Kugellagern bewegt haben.

Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 48/2010.

Erbe der Feuersbrunst

Mitunter verhilft ein Unglück Forschern zu unverhofften Funden. So wütete vor 2500 Jahren eine Feuersbrunst zwischen den Hütten einer kleinen Siedlung in der Nähe des heutigen Peterborough in der englischen Grafschaft Cambridgeshire. Die Behausungen standen damals auf dicken Eichenpfosten über dem Fluß Nene. Als das Feuer ausbrach, wirkte der Luftraum unter den Häusern wie ein Windkanal und sorgte für extreme Hitze. Schnell brachen die tragenden Balken, und die angekohlten Häuser fielen direkt in den Fluß. Das Wasser löschte das Feuer sofort – und konservierte die Hütten mitsamt Inhalt. Nun haben britische Archäologen die bronzezeitliche Siedlung entdeckt. Auf der Flucht vor den Flammen ließen die Bewohner allerlei zurück: Waffen, Stoffe, sogar Töpfe voller Essen. „Die Textilfunde sind einzigartig”, schwärmt Ausgräber Tim Malin: „Wir haben noch nie zuvor Stoffe aus dieser Zeit gefunden.” Die 50 Töpfe mit Nahrungsmitteln sollen demnächst im Labor analysiert werden.

Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 47/2010.