Geburtsstunde der Menschenkleidung

Unsere Vorfahren haben sich offenbar schon weit früher in Kleider gehüllt als bislang angenommen. Das hat ein Team um den US-Biologen Andrew Kitchen von der Pennsylvania State University herausgefunden – auf dem Umweg über die Tierwelt. Durch umfangreiche Erbgutanalysen ermittelten die Forscher, dass sich die Kleiderlaus vor rund 190000 Jahren im Stammbaum der Menschenläuse abspaltete. Ihre Entstehung, so die Forscher, wäre nicht möglich gewesen, wenn ihr der Urmensch zu dieser Zeit keinen geeigneten Lebensraum geboten hätte. Zwar verloren die Vorfahren des Homo sapiens schon vor mehr als einer Million Jahren ihre schützende Körperbehaarung. Viele Indizien sprachen allerdings bislang dafür, dass er erst viel später damit begann, seine nackte Haut mit Tierfellen oder pflanzlichen Geweben zu bedecken. Andere Forscher gingen bisher davon aus, dass diese Kulturwende erst vor rund 100000 Jahren stattgefunden haben könnte.

Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 18/2010.

Archäologen schaufeln „Zehn Gebote“ frei

Unter kalifornischen Dünen liegt ein altägyptischer Tempel vergraben – der nicht mal hundert Jahre alt ist. Der einstige Schauplatz des Stummfilmepos „Die Zehn Gebote“ ist jetzt ein Fall für Archäologen: Sie bergen die gigantische, fragile Hollywood-Kulisse aus dem Sand. Und haben zu kämpfen.

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Führen Paviane ins verschollene Goldland?

Mit Hilfe einer Analyse der Fellhaare zweier mumifizierter Paviane wollen Forscher der University of California Santa Cruz ein archäologisches Rätsel lösen: Wo lag einst das legendäre Goldland Punt? Die beiden Primaten starben vor rund 3000 Jahren im alten Ägypten. Doch der Nil war höchstwahrscheinlich nicht ihre Heimat. Paviane gehören zu jenen Schätzen, die Seefahrer von den sagenumwobenen Expeditionen ins Land Punt mitbrachten. Wo sich das verschollene Land befand, weiß heute niemand mehr. Mögliche Kandidaten sind der Jemen, Äthiopien, Eritrea oder Somalia. Nur die Inventarlisten der Schiffe, die von dort kamen, sind überliefert: Parfum, Pantherfelle, Elektrum – und lebende exotische Tiere. Eine Bestimmung der Sauerstoffisotope im Pavianfell könnte die Herkunft verraten. Denn in den Haaren lagerten sich jene Isotope ab, die die Tiere mit dem Trinkwasser ihrer Heimat aufnahmen; und die Isotopensignatur ist für jede Region dieser Erde einzigartig. Allerdings funktioniert der Trick nur, wenn die Paviane recht bald nach ihrer Ankunft am Nil starben; denn spätestens nach einem Jahr hat sich das Affenfell komplett erneuert.

Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 17/2010.

Frauen brauen

Bier ist Frauensache: Das hat die Getränkekundlerin Jane Peyton bei Recherchen für ihr Buch „The Book of Booze” herausgefunden. Schon in den Anfangszeiten der Braukunst, im fruchtbaren Halbmond Mesopotamiens, waren Herstellung und Ausschank des Getreidesaftes fest in Frauenhand. Die Sumerer verehrten sogar eine Gottheit namens Ninkasi: die Göttin des Bieres. Sachlicher ging es bei den Babyloniern zu, die bereits 20 verschiedene Biersorten kannten. In ihrem Gesetzestext, dem „Codex Hammurabi”, legten sie fest, wie mit Frauen umzuspringen sei, die Bier nicht korrekt ausschenkten: „Eine Wirtin, die sich ihr Bier nicht in Gerste, sondern in Silber bezahlen lässt oder die minderwertiges Bier ausschenkt, wird ertränkt.” Bei den Wikingern war die Rollenverteilung ebenfalls gesetzlich geregelt: Für die Zubereitung von Bier hatten die Frauen zu sorgen – kein anständiger Wikinger wäre auf die Idee gekommen, Getreide zu fermentieren. Die Finnen widmeten der Herstellung von Bier durch Frauenhand sogar eine Strophe ihres Nationalepos, des „Kalevala”: Nach diversen Versuchen mit Tannenzapfen und Bärenspucke gelingt es der Jungfrau Osmotar, Gerste, Hopfen und Wasser mit Hilfe von wildem Honig zum Gären zu bringen. Deutschlands wohl berühmteste Bierbrauerin ist Katharina von Bora, die Ehefrau Martin Luthers: Sie besserte die Haushaltskasse des Reformators mit ihrer Braukunst auf.

Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 15/2010.

Kastriert im Kaisergrab

Den meisten Terrakotta-Pferden im Grab des ersten Kaisers von China fehlen die Hoden. Diese erstaunliche Entdeckung machte der Archäologe Yuan Jing von der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften bei der systematischen Untersuchung der über 600 Pferde aus der Grabanlage des Qin Shihuangdi (259 bis 210 vor Christus) bei Xi’an. Alle 520 männlichen Pferde, die in Vierergruppen Streiwagen zogen, waren kastriert. Lediglich einige der Kavalleriepferde befanden sich noch im Vollbesitz ihrer Männlichkeit – die meisten waren jedoch Wallache. Stuten fehlten dagegen völlig. Vielleicht, so mutmaßt Yuan, sollten die Zugpferde durch diese Art der Darstellung als besonders gut abgerichtet erscheinen. Dass Nutztiere in China schon früh kastriert wurden, ist seit längerem bekannt: Berichte auf 3000 Jahre alten Muscheln und Knochen gaben Hinweise auf die Kastration von Schweinen. Jetzt hoffen die Archäologen, auch an den sterblichen Überresten von mehreren echten Pferden, die unlängst in der Nähe der Grabanlagen gefunden wurden, die jahrtausendealte Entmannungspraxis nachweisen zu können.

Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 11/2010.