In der Tunnelstadt der Weltkriegssoldaten

Zehntausende Menschen, verborgen in Stollen und Gängen: Im Ersten Weltkrieg errichteten Arbeiter unter dem belgischen Ypern ein gigantisches Höhlensystem mit Schutzräumen, Küchen, Kliniken. 90 Jahre danach haben Forscher die Stadt unter der Stadt wieder entdeckt – sie ist erstaunlich gut erhalten.

Den Beitrag bei Spiegel Online lesen»

Kontroverse um Kinderknochen

Vor 5500 Jahren starb Charlie im britischen Avebury. Eine Gruppe radikaler Druiden betrachtet das zum Zeitpunkt seines Todes dreijährige Mädchen als ihren Stammesvorfahren – und will nun Charlies Knochen wiederhaben, die im Alexander Keiller Museum von Avebury ein Ausstellungs-Highlight sind. „Unsere Forderungen basieren auf ethischen Grundsätzen und der untrennbaren Verbindung unserer Vorfahren mit der Landschaft”, erklärt Paul Davies vom Council of British Druid Orders. Das Museum möchte sich nicht von seinem Publikumsmagneten Charlie trennen. Jetzt drohen die Druiden, den Fall vor den Obersten Gerichtshof zu bringen. Hätten sie dort Erfolg, so fürchten Archäologen, wäre kein Skelett in britischen Museen mehr sicher. In einer gemeinsamen Erklärung der Denkmalschutzorganisationen English Heritage und National Trust heißt es: „Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass die Mitglieder des Council of British Druid Orders mit den Überresten enger verwandt sind als die Mehrheit der derzeitigen Bevölkerung Westeuropas.”

Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 06/2009.

Finanzgenie statt Femme fatale

Sie gilt als Luder der Renaissance und als so mordlustig, dass Wildwest-Legende Buffalo Bill sogar sein Gewehr nach ihr benannte. Doch Lucrezia Borgia (1480 bis 1519) war den Erkenntnissen der Historikerin Diane Yvonne Ghirardo von der University of Southern California zufolge vor allem eins: „eine äußerst erfolgreiche kapitalistische Unternehmerin”. Die italienische Fürstin spanischer Abstammung, die Zeitgenossen als wunderschön, blond und mit sonnigem Gemüt gesegnet beschreiben, erwarb in großem Maßstab scheinbar wertloses Sumpfland, ließ es mit Hilfe von Entwässerungsgräben und Kanälen trockenlegen und nutzte es dann anschließend als Weideland oder für den Anbau von Getreide, Bohnen, Oliven, Flachs und Wein. Innerhalb von sechs Jahren kaufte sie in Norditalien zwischen 12000 und 20000 Hektar Land auf – kein Mann zu ihrer Zeit spekulierte in diesem Umfang mit Grundstücken. Obwohl Lucrezias Bilanzen seit langem in Archiven offen zur Verfügung stehen, war Historikern ihr offenkundiges Spekulationsgeschick bislang entgangen. Weil sie eine Frau war, nahmen Renaissance-Forscher in den Geschäftsunterlagen bislang nur die Zahlungen für Kleidung, Schmuck oder Kunstwerke zur Kenntnis. Für all das interessierte sich Lucrezia offenbar wenig. Statdessen fand Forscherin Ghirardo in den Büchern immer wieder große Spenden an die Kirche.

Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 04/2009.

Kneipe im Wohnzimmer

Dass die Alten Griechen ihre Abende bevorzugt zechend in der Taverne verbrachten, wollen uns zahlreiche Komödien und Anekdoten weismachen – nur fanden Archäologen bislang nie Überreste dieser angeblich so verbreiteten Eckkneipen. Das brachte Clare Kelly Blazeby von der University of Leeds auf die Idee, dass ihre Kollegen vielleicht nach den falschen Spuren gesucht haben könnten: Die Tavernen des klassischen Griechenland, so Blazebys Hypothese, waren keine eigens zu diesem Zweck genutzten Gebäude. Statt dessen funktionierten die Griechen ihre Wohnräume zu Kneipen um. Als Beleg dafür sieht Blazeby die Unmengen Geschirr, die in etlichen Privathäusern gefunden wurden – viel mehr, als selbst eine kinderreiche Großfamilie gebraucht hätte. Allein aus den Ruinen eines Wohnhauses in Halieis etwa holten die Archäologen 209 Trinkbecher und 148 Krüge. In den Abfallgruben solcher Häuser fanden Ausgräber meist auch außergewöhnlich viele Tierknochen – die Forscher schließen daraus, dass bei den Gelagen auch Snacks ausgegeben wurden.

Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 04/2009.