Krudes Gebräu gegen schwarze Magie: Zum Schutz vor Hexerei haben viele Briten im 16. Jahrhundert Flaschen vergraben. Nun haben Archäologen zum ersten Mal ein intaktes Exemplar gefunden – gefüllt mit einem Lederherz, Nägeln und Urin.
Archiv des Autors: Angelika Franz
Beweisstück gegen den Schöpfungsglauben
Britische Forscher haben in den Magazinen des Natural History Museum in London einen rund 400 000 Jahre alten Faustkeil wiederentdeckt, der seit 150 Jahren verschollen war. Das von Menschenhand hergestellte Werkzeug hatten englische Gelehrte im 19. Jahrhundert in einem Steinbruch nahe der nordfranzösischen Stadt Amiens inmitten von Mammut- und Wollnashornknochen gefunden. Das Artefakt hatte seinerzeit das Weltbild der Biebelgläubigen erschüttert, die nach den Lehren des im 17. Jahrhundert lebenden Erzbischofs Ussher glaubten, Gott habe die Menschen im Oktober 4004 vor Christus geschaffen. Nur kurze Zeit nach seiner Entdeckung war „der Stein, der die Zeitbarriere durchbrach“, wie es ein prominenter Archäologe formulierte, spurlos verschwunden. Erst jetzt haben der Geograf Clive Gamble und der Paläontologe Robert Kruszynski das berühmte Beweisstück unter Tausenden prähistorischen Werkzeugen in den Archiven zum zweiten Mal ausfindig gemacht. Auf dem behauenen Flint mit der Inventarnummer E 5109 klebte ein kleines weißes Schildchen aus viktorianischer Zeit mit dem Vermerk: St Acheul, Amiens. 1 Fuß unter der Oberfläche, April 27 – 59 – der Faustkeil ist damit genau auf jenes annus mirabilis 1859 datiert, in dem auch der Naturforscher Charles Darwin mit seiner Abhandlung über die Entstehung der Arten den Glauben an die göttliche Schöpfung ins Wanken brachte.
Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 24/2009.
Knochenmüll aus der Ärzteschule
Dass Archäologen Knochen finden, gehört zu ihrem Geschäft. Dass sie aber vor einer Grube voller abgesägter Körperteile stehen, kommt nicht alle Tage vor. Was bei den Bauarbeiten für den neuen Campus der University of Worcester ans Tageslicht kam, waren allerdings nicht Hinweise auf finstere Verbrechen, sondern Überbleibsel einer Sternstunde der Medizin: Dies ist ein Zeugnis aus den Kindertagen der Chirurgie, erklärt Stadtarchäologe Simon Sworn. Denn wo bald die Studenten in neue Wohnheime ziehen sollen, stand bislang die Worcester Royal Infirmary, das alte Krankenhaus der Stadt. Und hier, knapp 50 Kilometer südwestlich von Birmingham, wurde im Jahr 1832 die British Medical Association gegründet. Im gleichen Jahr trat der Anatomy Act in Kraft, der es britischen Ärzten erlaubte, Tote ohne Angehörige für die Forschung zu verwenden. Zuvor mussten sich die Forscher mit den Leichen Krimineller als Lehrmaterial begnügen – zu wenige für eine sinnvolle Forschung. Wir haben von der Syphilis angegriffene Knochen gefunden, die für eine nähere Untersuchung aufgesägt waren, berichtet Sworn. Aber auch Knochen von Schweinen, Pferden und Rindern lagen zwischen den menschlichen Gebeinen. An einigen davon haben wir gleich mehrere Sägeansätze gefunden – als ob Studenten hier eifrig Amputationen geübt hätten.
Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 23/2009.
Forscher lösen Rätsel makelloser Mumie
Rosalia Lombardos Leiche gilt als schönste Mumie der Welt. Seit langem rätseln Experten, mit welcher Technik das vor fast 90 Jahren in Palermo gestorbene Mädchen präpariert wurde – jetzt haben Forscher die Formel für die entscheidende Flüssigkeit entdeckt.
Todgeweihter Lincoln
Am Karfreitag des Jahres 1865 schoss ein Attentäter den US-Präsidenten Abraham Lincoln nieder. Tötete der Mörder einen ohnehin Todgeweihten? Das will der US-Kardiologe John Sotos herausgefunden haben. Lincoln habe an multipler endokriner Neoplasie (MEN) des Typs 2B gelitten – einer seltenen Erbkrankheit, die Schilddrüsenkrebs hervorruft. Der Präsident, so die späte Ferndiagnose des Mediziners, hätte wahrscheinlich das Osterfest des Folgejahres nicht mehr erlebt. Seine Diagnose stützt Sotos auf Fotos uns Zeitzeugenberichte. Ein Hinweis auf MEN2B sei zum Beispiel die außergewöhnliche Körpergröße Lincolns, der mit 1,93 Meter der längste US-Präsident der Geschichte war. Auch Beulen auf Lincolns Lippen, zu erkennen auf einem Gesichtsabdruck aus Gips, sprächen für die Erbkrankheit: Sotos deutet sie als charakteristische Nervenverwachsungen, sogenannte Neurone. Schon den Zeitzeugen war der Verfall des Präsidenten aufgefallen. Lincoln selbst habe gemutmaßt, er werde das Ende des Bürgerkrieges nicht erleben. Um seine Theorie zu untermauern will Sotos nun eine Lincoln-Reliquie aus einem Militärmuseum in Philadelphia untersuchen: jenen Kissenbezug, an dem nach dem Attentat Blut und Gehirnmasse des Präsidenten kleben blieben, die sich vielleicht für eine DNA-Analyse eignen.
Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 18/2009.
Konserviert für die Ewigkeit
Wer schön sein wollte, kam unters Messer – auch nach dem Tod: Um die Verstorbenen für die Reise ins Jenseits zu präparieren, scheuten die altägyptischen Einbalsamierer vor keinem noch so drastischen Eingriff zurück. Ihre Arbeiten halten bis heute.
Mehr Sonne bitte!
Hauptsache gigantisch, lautete das Motto der Römer, selbst wenn sie Sonnenuhren bauten. Sogar das Pantheon soll einer neuen Theorie zufolge dem Studium des Gestirns gedient haben. Zu Meister-Astronomen wurde aber ein anderes Volk der Antike, das Raffinesse vor Größe setzte: die Griechen.
Jäger des verlorenen Heilands
Sie sind die tragischen Gestalten der Archäologie: Spatenforscher, die auf der Suche nach Jesus-Artefakten das Heilige Land durchwühlen. Für eine Sensationsgeschichte in den Medien sind ihre Funde immer gut – doch übrig bleibt am Ende meist nur Staub.
Was von uns übrig bleibt
Der Brite John Schofield verschiebt mit provokanten Aktionen die Grenzen der Archäologie: Er untersucht Relikte der jüngsten Vergangenheit – einen Ford Transit, Friedenscamps der Atomkraftgegner und Uni-Hörsäle. Dabei fördert er Erstaunliches zu Tage, das wir fast schon wieder vergessen hatten.
Sound der Steinzeit
Wie sangen die Neandertaler? In einer aufsehenerregenden Komposition hat ein walisischer Jazzprofi den Gesang der Steinzeitmenschen nachempfunden. Das Werk geht unter die Haut – aber hören Sie selbst.