Thunfisch in Weißwein

Viele Gerichte sind uns aus dem antiken Griechenland überliefert – nur einige Gewürze haben es nicht bis in unsere Zeit geschafft.

„Diesen salzigen Thunfisch zuerst: er kostet zwei Obolen. Er muss noch gut gespült werden. Dann würz‘ ich eine kleine Backform, leg den Thunfisch hinein, gieß‘ weißen Wein darüber, bedeck‘ ihn mit Öl und dann laß‘ ich’s köcheln, und ich werd‘ ihn so zart machen als sei’s Filet. Zum Schluss geb‘ ich reichlich silphium drüber.“
Alexis 186, nach Athenaeus 117d

Dieses Rezept ist uns in dem Textfragment einer attischen Komödie überliefert. Aufgeschrieben wurde es von Athanaeus – einem Ägypter, der um 200 n. Chr. lebte. Ihm verdanken wir die Erhaltung einer ganzen Reihe alter griechischer Rezepte.

Bei dem Thunfisch handelt es sich wahrscheinlich um ein Jungtier, das auf seiner Reise vom Schwarzen Meer ins Mittelmeer in die Netze der Fischer geriet. Diese legten – um sie haltbar zu machen – die Fische in Salz ein. Daher wohl der Hinweis, dass der Thunfisch vor der Zubereitung noch gut abgespült werden müsse.

„Reichlich silphium“ können wir heute leider nicht mehr über unseren Thunfisch sprenkeln. Obwohl silphium, auch laser genannt, in der griechischen Antike viel und üppig verwendet wurde, wussten schon die meisten Römer nicht mehr, wie dieses Gewürz schmeckt. Der Historiker Plinius (geboren 23/24 n. Chr., gestorben beim Ausbruch des Vesuv am 24. August 79) berichtet in seiner Naturgeschichte, dass der letzte Strunk davon zur Regierungszeit des Kaisers Nero (13. Oktober 54 – 9. Juni 68) in der römischen Provinz Cyrenaica in Libyen gefunden wurde. Der ehrliche Finder schickte die Kostbarkeit zu Hofe, wo Nero den weltweit letzten Stängel silphium auch prompt verspeiste. Plinius schreibt weiter, dass zu seiner Zeit das echte silphium durch minderwertiges persisches oder armenisches silphium ersetzt wurde. Was Plinius und seine Zeitgenossen allerdings genau zum Würzen ihrer Speisen nutzten, ist umstritten. Der Naturphilosoph und Nachfolger des Aristoteles, Theophrast (ca. 371 – 287 v. Chr.), beschreibt in seiner Pflanzenkunde das silphium als ein Gewächs mit fenchelähnlichem Strunk und einem der Sellerie ähnlichen Blatt. Die Wurzeln hätten eine schwarze Rinde, welche abgeschält wird, um aus ihr den zum Würzen verwendeten Saft zu gewinnen. Einige Philologen sind der Ansicht, dass es sich bei der von Nero verspeisten Variante um Ferula tingitana, und bei der billigen um Ferula asa foetida handeln könnte. Letztere ist heute unter dem Namen Stinkasant oder Teufelsdreck bekannt. Der getrocknete Saft dieser Pflanze wird in sehr hoher Verdünnung in einigen Parfüms verwendet – berühmtestes Beispiel ist der Klassiker Chanel No. 5. Nun sei jedoch streng davon abgeraten, entweder Teufelsdreck direkt oder gar Chanel No. 5 über sein Abendessen zu schütten. In unserem Fall ist frischer Knoblauch – der mit seinem scharfen, würzigen Geschmack einen ähnlichen Effekt haben dürfte wie das silphium der Antike – der ideale Ersatz.

In der Praxis wird Athenaeus Thunfisch also wie folgt zubereitet:

Zutaten für zwei Personen:
2 Thunfisch-Steaks
Salz und Pfeffer
halbtrockenen Weißwein
2 EL Olivenöl
1 frische Knoblauchzehe

Den Ofen auf 200 Grad Celsius vorheizen. Die Steaks mit Salz und Pfeffer einreiben und in eine kleine Auflaufform legen. Die Form mit Weißwein aufgießen, bis die Steaks knapp bedeckt sind, und das Olivenöl dazugeben. Auf der mittleren Schiene etwa 30 Minuten backen. Nach der Hälfte der Zeit die klein gehackte Knoblauchzehe über die Steaks streuen.

Dazu Brot servieren (mit dem man die Weinsoße aufsaugen kann) und einen frischen Salat.

Erschienen in der Reihe “Ars Vivendi”, Abenteuer Archäologie 1/2004.