Das Volk der Nazca, das zwischen 200 v. Chr. und 600 n. Chr. die Küstenwüste im heutigen Peru bewohnte, pflegte einen Brauch, über den Archäologen lange rätselten: Wie Darstellungen auf Gefäßen zeigen, durchlöcherten die Indianer Totenschädel, fädelten sie auf Schnüre und trugen sie als Trophäen bei sich nur wessen Schädel? Kelly Knudson von der Arizona State University in Tempe hat die Antwort im Zahnschmelz gefunden: Die darin enthaltenen Isotopen-Signatur von Strontium, Kohlenstoff und Sauerstoff hängt vom Wasser und der Nahrung ab, die der Mensch zu sich genommen hat und unterscheidet sich von Ort zu Ort. Knudsen verglich entsprechende Proben von Trophäenschädeln und von intakten Nazca-Mumien. Das Ergebnis: Sowohl die Toten, die als Trophäen geendet waren, als auch die Trophäenträger hatten dasselbe Wasser und Gemüse zu sich genommen. Sie waren also offenbar keine Feinde aus anderen Dörfern, sondern eher Verwandte. Offen bleibt allerdings die Frage, ob die Nazca Mitglieder ihrer eigenen Familie rituell opferten oder die Köpfe ihrer auf natürliche Weise verstorbenen Verwandten mit sich herumtrugen als Ritual eines morbiden Totenkultes.
Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 03/2009.