Krumme Geschäfte

Am Morgen des 3. Februar 1975 schließt der Chef der United Fruit Company Eli Black sorgfältig seine Bürotür im 44. Stock des New Yorker Pan Am Buildings hinter sich zu. Er nimmt seinen Aktenkoffer, zertrümmert die Scheibe und springt. Sein Körper zerplatzt auf dem Asphalt der belebten Park Avenue. Als die Ermittler ihre Arbeit aufnehmen, stellt sich heraus, daß United Fruit dem Präsidenten von Honduras insgesamt 2,5 Millionen US Dollar geboten hat, wenn die Firma bevorzugt bei der Festlegung von Ausfuhrzöllen behandelt wird. Doch Black ist tot und das wahre Ausmaß des Bestechungsskandals wird mit ihm begraben. United Fruit zahlt 15 000 Dollar Strafe und die Akten werden stillschweigend zugeklappt.

Die Chronik der Korruption beginnt 1871. Eigentlich will der New Yorker Minor Copper Keith nur eine Eisenbahn durch Costa Rica bauen. Am Rand der Gleise pflanzt er Bananenstauden, um billige Nahrung für seine Arbeiter zur Hand zu haben. Nach Fertigstellung der Bauarbeiten stellt sich das Bahnprojekt jedoch als unrentabel heraus, es fehlt an Passagieren. Also entsinnt sich Keith der Plantagen und schafft die dort geernteten Stauden an die Küste. Mit Erfolg — die Felder der gelben Früchte werden zur Goldgrube. Am 30. März 1899 gründen Keith und zwei weitere Bananen-Desperados, Captain Lorenzo Dow Baker und Andrew Preston, die United Fruit Company. Fortan drängt sich die Firma, die heute Chiquita Brands Company heißt, in die politischen Angelegenheiten Nord- und Mittelamerikas wie eine Urwaldschlingpflanze durch weiche Rinde, Moos und Farn. Die Lateinamerikanern nennen sie „El Pulpo“ — die Kranke. Schon bald kontrolliert die United Fruits Company 75% des Bananenmarktes in den USA, bepflanzt Plantagen in Columbien, Costa Rica, Jamaica, Nicaragua, Panama und Santo Domingo, ist im Besitz der größten Privatflotte der Welt und einem Netz von Bahngleisen. Auch das Postwesen von Guatemala liegt in der Hand der Firma. Und die Tochter des Präsidenten von Costa Rica wird zur Ehefrau von Minor Copper Keith.

Die Krakenarme des Konzerns wuchern weiter. Die United Fruit Company bezieht ihren Hauptsitz in Guatemala. Weder Steuern noch Zölle muß der Bananenriese in dem kleinen Land zu zahlen, der einzige Handelshafen, Puerto Barrios, der Telegraphendienst und die elektrische Versorgung des Landes unterstehen United Fruit.

Ebenso wie der heimische Markt. Die gelben Früchte werden mit blauen Aufklebern veredelt, um dem obstessenden Amerikaner klar zu machen, daß er mit einer „Chiquita“-Banane etwas ganz besonderes isst. Als 1944 Miss Chiquita im Baströckchen ihren „Chiquita Banana Song“ trällert, kennt ihn bald jedes Kind auf der Straße. Die Chiquita Banane ist eine Berühmtheit.

Doch dann läuft etwas schief. 1951 wird Jacobo Arbenz zum Staatspräsidenten von Guatemala gewählt und verspricht seinem Volk, die Agrarstruktur des Landes zu ändern. Zwei Jahre später enteignet er 209 842 Morgen bestes Plantagenland der United Fruit Company und verteilt es an Kleinbauern. Dem Unternehmen bietet er eine Entschädigung von 627 572 US Dollar an. Dies entspricht dem Wert, den die Firma für die steuerliche Bewertung ihrer Ländereien selber deklariert hat. Unter diesem Angriff schwillt die Krake zur vollen Größe ihrer Macht auf. Sie heuert den erfahrenen Werbefachmann Edward Bernays an, um ihren Rachfeldzug mit einer PR-Kampagne einzuläuten, die der guatemaltekischen Regierung kommunistische Unterwanderung unterstellt. Bernays ist glaubhaft, und bald glaubt ihm die ganze USA. Die amerikanischen Journalisten überschlagen sich darin, neue von Bernays vor ihrer Nase ausgelegte kommunistische Machenschaften „aufzudecken“ und hetzen im Chor gegen Arbenz. Doch richtig los geht es erst, als Dwight D. Eisenhower zum Präsidenten der USA gewählt wird. Nun hat die United Fruit Company die Verbündeten, die sie braucht. Der neue stellvertretende Außenminister und ehemaliger CIA-Direktor Walter Bedell Smith hat schon lange mit einem leitenden Posten in der Company geliebäugelt. Selbstredend bekommt er ihn. Und Eisenhowers persönliche Sekretärin Anne Whitman ist die Ehefrau des United Fruit PR-Direktors. Allein im ersten Halbjahr 1954 läßt sich die CIA die Vorbereitung des Untergangs von Arbenz 20 Millionen US-Dollar kosten. Unter dem Decknamen „Operation Success“ werden Waffen in die Hände der Contras gespielt. Gewehre, Maschinenpistolen und Granatwerfer, selbst eine kleine Luftwaffe, werden mit amerikanischen Steuergeldern gesponsort. Am 27. Juli ist der Druck so groß, daß Arbenz zurücktritt. An seine Stelle setzt das CIA den gegängelten Contraführer Castillo Armas. Er gibt der United Fruit Company die enteigneten Gebiete zurück und vertreibt die Bauern, die sich gerade auf ihren neuen Feldern eingerichtet hatten. Guatemala ist von einer selbstständigen Republik auf demokratischer Basis wieder auf den Stand einer Bananenrepublik zurückgesunken.

Der geflochtene Zopf aus Bananenstauden und Politik wird immer fester. Als Chiquita 1998 1,4 Millionen an Parteispenden nach Washington schiebt, entspricht dies so weit dem politischen Alltag, daß Eli Black dafür nicht mehr aus dem Fenster gesprungen wäre.

Erschienen als Teil der Serie „Der Aufstieg Amerikas — Von der Kolonie zur Großmacht“, stern 11/2002