Ötzis Migrationshintergrund

Erschienen in Geo, Januar 2013
Wie kamen Gene aus Sardinien und Bulgarien ins Erbgut des Eis-Mannes?
Eine Studie vom Februar 2012 hatte für Verwirrung gesorgt: Die DNS der berühmten Mumie aus dem Ötztal deutete darauf hin, dass die Sarden unten den heutigen Eiwohnern Europas die engsten lebenden Verwandten des Tiroler Eis-Mannes sind. War Ötzi ein „Ausländer” aus Sardinien?

Nein, bestätigen nun Forschungen des genetikers Martin Sikora von der Stanford University. Vielmehr hätten sich auf Sardinien aufgrund der isolierten Lage der Insel noch Gene aus alter Zeit erhalten, während es auch dem europäischen Festland zu viel mehr Vermischung des Erbguts gekommen sei. Und zwar folgendermaßen: Offenbar gab es zwei Jahrtausende vor Ötzis Lebzeiten in Europa zwei genetisch unterscheidbare Menschenpopulationen. Erstere hatten ihre Wurzeln im Nahen Osten, wo der Ackerbau erfunden worden war; mit der Zeit wanderten diese Menschen nach Europa ein, vermischten sich aber nicht sofort mit den dort lebenden Jägern und Sammlern.
Sikora konnte nachweisen, dass Ötzis Gene sich deutlich von jenen der prähistorischen Jäger- und Sammlergruppen aus Schweden und Spanien unterscheiden. Sie ähneln aber – ebenso wie die sardischen – dem Erbgut von Bauern aus Schwedens Stein- und Bulgariens Eisenzeit. Demnach war Ötzi ein Verwandter jener Menschen, die den Ackerbau nach Europa brachten.
Dass Ötzi quasi Migrationshintergrund besaß und Menschen seinerzeit weitreichende Handelsbeziehungen pflegten, passt auch gut zu einer neuen Theorie über sein Ableben. Der Geoarchäologe Alexander Binsteiner vermutet, dass Ötzi mit Gefährten auf einer Kupferhandelsroute war – Ötzi trug ein Beil bei sich, dessen Klinge dieselbe chemische Zusammensetzung besaß wie das begehrte Mondsee-Kupfer vom Mitterberg im Salzkammergut.
Binsteiner glaubt, die Gruppe sei von Wegelagerern überfallen worden. Zwar habe man die Räuber vertreiben können – doch Ötzi starb an einer Verletzung durch einen Pfeil. Ötzis Leichnam bestattete man daraufhin vor Ort, aber nach der Sitte zusammen mit seinen Waffen. Nur so könne man erklären, warum das wertvolle Kupferbeil nicht abhanden gekommen sei.

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