Es war wohl der Dienst an Gott, der die Mönche der ehemaligen Abtei Øm in Dänemark das Leben kostete. Das zumindest legt die Studie des Chemikers Kaare Lund Rasmussen von der Süddänischen Universität in Odense nahe. Er untersuchte Knochen aus sechs mittelalterlichen Friedhöfen – und in denjenigen der Ømer Mönche fand er einen auffällig hohen Quecksilberanteil. Die Ursache, so Lund Rasmussen, sei die rote Tinte gewesen, mit der die Mönche einst die Bibel kopierten. Denn die bestand aus Cinnabarit, bekannt als Zinnober, ein Sulfid des Quecksilbers. Eigentlich war der Stoff ein gängiges Medikament zur Behandlung von Syphilis und einer lepraähnlichen Krankheit namens FOS – und in den Knochen von den anderen Friedhöfen fand Lund Rasmussen auch entsprechende Belege: 79 Prozent der FOS-Opfer und 35 Prozent der Syphiliskranken trugen Quecksilberspuren. Doch bei den Mönchen von Øm bemerkte er keinerlei Hinweis auf diese Krankheiten: Ihre Knochen hätten also quecksilberfrei sein müssen. Lund Rasmussen ist daher überzeugt, dass die zinnoberrote Schwermetallfarbe die Kopisten der Bibel nach und nach vergiftet hat: Es ist eine sehr menschliche Angewohnheit, den Pinsel zu lecken, wenn man eine feine Linie malen will.
Erschienen in Prisma, Spiegel (Printausgabe) 28/2008.