Nachtrag zur Nonne und Abschied von Armenien

Ihr erinnert Euch an Datev, die Nonne? Dies Land ist so klein, daß jeder jeden kennt, und so kennt auch Anna jemanden, der ihre Eltern kennt. Die sagten, Datev wollte schon lange Nonne werden. Sie hielt sich für häßlich. Dachte, sie würde nie einem Mann finden. Um dieser Schande zu entgehen, war sie die treibende Kraft hinter der Gründung des Ordens von St. Hripsime.

An einem sonnigen Abend war ich noch einmal nach Echmiadzin zurückgekehrt, um mich länger mit ihr zu unterhalten. Über das Leben im Kloster. Über die Schwierigkeiten, Nonne einer Religion zu sein, die Nonnen kategorisch ablehnt. Nicht über Männer, wir sprachen nur über Gott. Es war ein sehr schö ner Abend, erfüllt von Datev’s Sanftmut und ihrem leuchtenden Geist. Beim Abschied blieb sie am Tor der Klostermauer stehen, lehnte sich weit hinaus und winkte mir noch lange nach. Es war ihr nicht erlaubt, über die Schwelle zu treten.

Gestern rief Datev hier an, und bat mit erstickter Stimme, daß ich nicht über sie schreiben möge. Ihr Bischof wäre sehr wütend geworden, als er hörte, sie habe mit einer ausländischen Journalistin gesprochen. „Noch habe ich keinen Computer“, sagte sie leise. „Aber bald, hoffentlich bald. Und dann würde ich mich sehr freuen, wenn ich durch Briefe von Dir etwas über die Welt da draußen erfahren könnte.“ Ihre Stimme klang zum ersten mal nicht beseelt, sondern traurig.

Für mich ist es an der Zeit, nach Hause zurückzukehren, mein Flug geht in wenigen Stunden. Weder meine Hoffnungen (den Orient zu finden) noch meine Befürchtungen (Jens Nieling zu treffen) haben sich bestätigt. Statt dessen habe ich ein Land kennengelernt, das eine faszinierende, einzigartige Mischung aus Orient und westlicher Kultur ist. Bin Menschen begegnet, die mich Demut und Ehrfurcht lehrten – und Freude am Leben zu haben, egal wie schwierig die Umstände sind. Und habe so wieder einmal bestätigt gefunden, daß Hoffen und Fürchten eben doch nur vertane Energie sind. Es sind die kleinen Dinge am Wegesrand, die einen reich und glücklich machen.

Damit endet meine Reise. Ich trinke ein letztes Glas Rotwein, den guten kernigen vom Bauern, der nach Steinen und Aprikosen schmeckt, hebe mein Glas und spreche einen Toast aus: Auf das Reisen in fremde Länder, das immer auch eine Reise in sich selbst ist, auf das nach Hause kommen, den Kopf voll mit neuen Ideen, Eindrücken, Einsichten, und auf das Land der Bambiaugen, der Steine, der Aprikosen, der Baustellen, der Klöster, kurz, auf Armenien, und seine langsamen, wackeligen, aber doch vorwärts gerichteten Schritte in die selbstbewußte Unabhängigkeit…

Ja ja, ich weiß, ich neige zum Pathos, gewährt ihn mir noch einmal zum Abschied…

Danke für Eure Begleitung auf meiner Reise.